Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman
erklärte
Lamartine und rundete seine Worte mit einer leichten Verbeugung ab.
»Oh!« entfuhr es der Baronin. Um ihre Mundwinkel zuckte es. Sie war unsicher geworden, was Lamartine schmeichelte. Was gab
es Schwierigeres für einen Mann, als das Herz einer Bordellchefin zu erweichen?
»Schluß jetzt mit den Honneurs!« polterte der Justizminister. »Wann stehen Sie mir zur Verfügung?«
»So wie Sie sich hier aufführen, duldet die Sache keinen Aufschub«, erklärte Lamartine fest.
»Meinen Hut! Meinen Mantel!« schrie der Justizminister.
Lamartine hatte den Eindruck, daß Simons über seine Bereitwilligkeit, für sein Verhalten auf der Stelle einzustehen, verärgert
war. Das Dienstmädchen brachte augenblicklich die Garderobe des Justizministers. Beim Anziehen wandte er sich in einem sachlicheren
Ton an seinen Kontrahenten: »Diese Dinge brauchen bei uns ihre Zeit. Sekundanten müssen bestellt werden, die Waffen müssen
ausgesucht werden ... Sie verstehen?«
»Nein! Woher weiß ich, daß Sie sich nicht Ihrer Verantwortung entziehen wollen?«
»Sie sprechen mit dem preußischen Justizminister, Sie hergelaufener Flegel!«
Lamartine zuckte nur mit den Achseln. Der Justizminister keuchte. »Sind Pistolen im Haus?« fragte er atemlos die Baronin.
»Woher soll ich das wissen?« Die rothaarige Baronin wirkte etwas ungehalten, sie schien langsam die Geduld mit ihrem Stammgast
zu verlieren.
Der Justizminister drehte sich nach allen Seiten, als suche er an den Wänden nach Waffen, die er herabreißen und laden konnte,
um sie auf Lamartine zu richten. Dann aber bellte er über die Köpfe der Anwesenden hinweg. »Gibt es unter Ihnen Herren, die
Erfahrung als Sekundanten haben?«
Drei Männer, die sich verblüffend ähnlich sahen, traten vor. Der Justizminister wies auf den Kleinsten. »Sie, von Pufendorff!«
Dann wandte er sich an Lamartine: »Suchen Sie sich schon jemanden aus, damit wir es zu Ende bringen!«
Lamartine blickte auf den, der ihm am nächsten stand.
»Also los!« befahl der Justizminister, deutete mit einem Kopfnicken einen ungnädigen Gruß an und marschierte hinaus. Die beiden
Sekundanten folgten ihm.
Lamartine nahm die Hand der Baronin, verbeugte sich leicht und küßte die weiße Haut zwischen Daumen und Zeigefinger. »Mein
Gott!« flüsterte sie. »Was soll das? Er wird sie niederknallen. Weiß Stieber davon? Ist es ein Plan? Gehört es zur Befreiung
dazu?«
Lamartine schüttelte leicht den Kopf. »Nein, Madame. Es hat nur ein Ziel: Ihre Ehre wiederherzustellen!«
»Sie sind wahnsinnig!« stammelte sie.
Lamartine folgte den Herren, die draußen schon lauthals lamentierten, weil er sich soviel Zeit ließ.
Als die vier auf die Straße traten, öffnete sich die Tür von Schwarcks Kutsche. Der dicke Oberstaatsanwalt stieg flink aus
und näherte sich zusammen mit seinem uniformierten Kutscher der Gruppe. Schwarck nahm seinen Zylinder ab und blieb in etwa
vier Meter Entfernung vor Simons stehen.
»Was wollen Sie?« fragte Simons. Das Auftauchen seines Oberstaatsanwaltes schien ihm nicht zu passen.
»Ich bin in der Sache unterwegs, über die wir noch heute mittag gesprochen haben«, erklärte Schwarck mit einem Blick auf die
Sekundanten. »Ich habe gewartet, bis Sie das Haus der Baronin verlassen haben, Herr Minister. Wir werden jetzt eindringen
und das Haus auf den Kopf stellen. Es gibt Anzeichen dafür, daß sich das Dossier bei der Baronin befindet.«
»Was für ein Schwachsinn!« polterte Simons. »Aber wenn Sie es nicht lassen können, so tun Sie es!« Damit wandte er sich seiner
Kutsche zu.
»Herr Minister!« hielt Schwarck ihn auf. »Ich benötigte fürmeinen Einsatz die Unterstützung dieses Herrn. Er ist ein französischer Kollege und verfügt über Informationen von Stieber,
die ...«
Simons wandte sich an Lamartine. »Sie sind Polizist?«
Lamartine nickte. Schwarck bat Simons beiseite und flüsterte mit ihm. Simons runzelte die Stirn. Er schüttelte heftig den
Kopf. Dann trat er, obwohl Schwarck noch nicht fertig war, auf Lamartine zu. »Wie ich höre, stehen Sie unter Mordverdacht.
Sie sollen ausgewiesen werden. Es wird nötig sein, daß Sie mit dem Oberstaatsanwalt wieder hineingehen und einiges klären.
Vor allem, wo sich das Dossier befindet! Ich werde auf Sie warten ...«
Die beiden Sekundanten gingen langsam wieder zum Haus der Baronin zurück.
Lamartine schrie: »Sie sind ein Feigling, Simons! Ich habe es
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