Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman

Titel: Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
Vom Netzwerk:
Seineufer her betrat, er spürte einen unangenehmen
     Druck in der Magengegend. Lamartine hatte Angst. Der Pförtner, ein uniformierter Angehöriger des Wachregiments Napoleons,
     schnauzte den Inspektor an, als der sich an einer Schautafel orientieren wollte. »Sie haben sich anzumelden!« Lamartine zeigte
     ihm seinen Polizeiausweis, der Wächtersah ihn sich mürrisch an und tat so, als bezweifle er die Echtheit des Ausweises. »Zu wem wollen Sie?«
    »Wer stellt die Freipässe aus?« fragte Lamartine.
    »Freipässe gibt’s nicht auf Antrag, vor allem nicht für normale Bürger.«
    »Ich will keinen Freipaß haben, ich will nur mit dem Beamten sprechen, der dafür zuständig ist.«
    »Warum?«
    »Ich ermittle in einem Mordfall.« Lamartine hätte sich selbst ohrfeigen können: Warum gab er diesem Türsteher überhaupt Auskunft?
     Das hatte er, ein Inspektor der Pariser Mordkommission, doch nicht nötig   ...
    »Ich werde nachfragen!« beschied ihm der Mann, der wohl selbst spürte, daß er zu weit gegangen war, etwas umgänglicher. Dann
     bat er einen Kameraden, ihn zu vertreten, und entfernte sich rasch. Der zweite Uniformierte, ein Mann mit einem gezwirbelten
     Schnurrbart, der auffällig schielte, musterte Lamartine eingehend. Der Inspektor fühlte sich bewacht und machte – wie unbeabsichtigt
     – ein paar Schritte von dem Pförtnerhäuschen weg. Als er sich langsam umwandte, bemerkte er, daß der Schielende ihm folgte.
    Kurz dachte Lamartine daran, umzukehren und einen seiner Mitarbeiter mit dem Besuch im Kriegsministerium zu beauftragen. Aber
     die unangenehme Nähe des schielenden Soldaten hinderte ihn daran. Er befürchtete, von dem Mann verfolgt und auf der Straße
     gestellt zu werden.
    Endlich erschien der erste Pförtner wieder. »Zimmer 356, dritter Stock. Bitte anklopfen!« schnauzte er Lamartine an.
    Der Inspektor flüchtete in das Innere des Kriegsministeriums. Das Treppenhaus mit den grauen Steintreppen, die symmetrisch
     auf beiden Seiten einer Kriegerstatue in die oberen Stockwerke führten, war menschenleer. Irgendwo hörte man eine schnaubende
     Stimme, die klang, als käme sie von einem Kasernenhof herauf. Unter starkem Herzklopfen begann Lamartine den Aufstieg.
    Die Tür zum Zimmer 356 fand er schneller, als ihm lieb war. Er klopfte zaghaft an. Nichts tat sich. Lamartine klopfte wieder;
     diesmal etwas härter. Drinnen rief jemand etwas, vielleicht hatte aber auch nur ein Beamter gehustet.
    Lamartine trat ein. Zwei klobige Schreibtische aus dunklem Holz standen sich gegenüber. Die Vorhänge waren zugezogen, auf
     jedem Schreibtisch brannte ein Windlicht – dabei war es noch taghell draußen. Zwei Köpfe brüteten über aufgeschlagenen Akten.
     Die Herren waren in Zivil, offensichtlich untergeordnete Sachbearbeiter.
    Lamartine grüßte. Keiner der beiden Beamten reagierte. Der Inspektor trat näher. »Ich bin Inspektor Lamartine von der Pariser
     Kriminalpolizei, ich bin dienstlich hier.« Einer der beiden schneuzte seine Nase in die rechte Hand und wischte die Handfläche
     an der Hose ab.
    »Es geht um die Freipässe   ...«
    Der andere wandte sich langsam nach ihm um. »Was ist mit den Freipässen?«
    »Ich ermittle in einem Mordfall. Der Ermordete besaß einen   ...ich dachte, ich mache mich bei Ihnen kundig   ...über die Bedingungen, unter denen diese Dokumente ausgegeben werden   ...«
    »Die Freipässe sind eine interne Angelegenheit des Kriegsministeriums, niemand hat sich deshalb kundig zu machen!« beschied
     ihm der Mann und wandte sich wieder seiner Akte zu.
    Lamartine überlegte.
    »Auf Wiedersehen!« bellte der andere Beamte.
    Der Inspektor hatte genug. Er war doch kein Bittsteller, er war ein Kriminalbeamter, ein Mann, der diesen Staat vertrat –
     mindestens ebenso vertrat wie die beiden Aktenleser. »Gut!« sagte er laut. »Es ergeht hiermit eine offizielle Ladung an Sie.
     Ich möchte Sie morgen früh um neun Uhr in meinem Büro sehen, um Sie eingehend zu befragen   ... Hiermit fordere ich Sie auf, mir Ihre Namen zu nennen!«
    Keiner der beiden zeigte eine Regung. Lamartine zog seinen Notizblock und einen Bleistift aus der Innentasche der Jacke, öffnete
     die Tür und schrieb die Namen der beiden vom Türschild ab: Monsieur Garanche, Pierre und Monsieur Petit, Gaston. »Eine schriftliche
     Ladung ergeht noch heute. Ich lasse sie per Boten zustellen. Da Sie durch Ihre unkooperative Haltung diese Ladung selbst verschulden,
     wird Ihnen die Polizeikasse alle

Weitere Kostenlose Bücher