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Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman

Titel: Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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Er war doch kein Fremder mehr für sie, sie
     hatten sogar die Nacht miteinander verbracht   ... Warum belog sie ihn dennoch?
    »Die Betreiberin des Hauses, eene Konfektladenbesitzerin, die de Etagen über ihrer Budicke an uns vamietete, hatte eene kleene
     Polin aus Krakau offjenommen. Die sprach janz jut Deutsch. Die Olle besorgte für Ilona Kirchenpapiere, die det Kleene ’n paar
     Jährchen älter machten. Sie war vierzehn, in die Papiere wurde se mit achtzehn jeführt. Dadurch war Ilona vor de Polzeikontrollen
     sicher. Die Süße war der beste Gaul im Stall. Hohe Herren kamen extra ihretwejen. Die Olle – also die Besitzerin – hütete
     die Polin wie ’n Schmuckstück. Ilona bediente nur jut zahlende Stammkunden. Sojar Angehörige des Königshauses hatte se als
     Freier. Det brachte die anderen off jejen die Kleene. Schließlich steckte eene Kollegin, die schon seit Wochen keenen juten
     Freier mehr jehabt hatte, der Polzei, wat det für Papiere waren – die von de Ilona. Ick weeß nich mal, welchen Rang Stieber
     damals hatte. Auf jeden Fall war ’r keen kleener Stinker, der ließ sich nich vorschicken, wenn Se vastehn. Er trug Zivilklamotten
     und hielt sich im Hintergrund. Die jroben Jendarmen – die stießen uns Mädels rum und warfen det Mobiliar um.«
    Lamartine fiel Stiebers Razzia im »Le canard« wieder ein, damals war er ebenso aufgetreten.
    »Wenn ick drüber nachdenke: Ick hab den Stieber noch niein eener Uniform jesehen. Is ja och ’n Mensch, den man sich nur im Gehrock und mit Kragen vorstellen kann, wa?«
    »Ich weiß, wie Stieber aussieht!«
    Der Wirt brachte den Schnaps, das Glas war so voll, daß es überschwappte, als Mia es vorsichtig zum Mund führte. Sie schlürfte,
     dann war das Glas zur Hälfte leer; sie lächelte selig.
    Das ist eine Frau, die nicht viel benötigt, um sich wohl zu fühlen, dachte Lamartine. Ihr schmaler Mund war schön, wenn sie
     sich entspannte – wie jetzt, nach dem Genuß des Schnapses. Ihre Zungenspitze leckte den letzten Rest des Getränkes von den
     Lippen und verschwand schnell wieder. Während sie weitersprach, starrte Lamartine auf ihren Mund und wünschte sich, daß sie
     ihn bald wieder küßte.
    »An dem Abend hatten w’r kaum Kunden. Ick gloobe, det war ’n kirchlicher Feiertag oda so wat. Unsere Herren mußten bei den
     Familien bleiben – zumindest bis Mitternacht. Die Chefin hatte schon einige Mädels nach Hause jeschickt – auch die, von der
     wir später erfuhren, daß sie der Polzei den Tip jejeben hatte.«
    »Was ist mit ihr passiert?« fragte Lamartine.
    »Nix besondres. Viele von uns haben jespitzelt – aber das war später. Zuerst gab’s nur eene Razzia. Meine Kollegin wollte
     die Tür zuhauen, aber Stieber hinderte se dran. Dann stürmten etwa zehn Jendarmen rein. Wir hatten vaeinbart, daß eener unauffällig
     nach oben steigt und die Jäste warnt. Diesmal aber jing allet so schnell, daß keener dazu kam. Die Chefin fing an zu lamentieren,
     een langer Lulatsch brachte se mit ’ner Backpfeife zur Raison. Zwee Jendarmen stiegen nach oben. Wir hörten, wie se im ersten
     Stock die Türen offstießen und die Jäste rausholten. Die Freier kamen halb anjezogen runter. Die Angst stand ihnen ins Jesicht
     jeschrieben. Es hat ’ne Weile jedauert, bis se det jefunden hatten, wonach se suchten – man sah es Stieber an, seine Wangen
     glänzten, als ein Jendarm Ilona nach unten brachte. Die Kleene hatte sich off de Toilette eenjeschlossen. Die trug noch die
     Schleife im Haar, die die Chefinihr immer verpaßte, wenn Freier kamen, die junges Jemüse haben wollten. Stieber valangte Ilonas Geburtsurkunde. Die Chefin
     hatte se parat liegen. Stieber bejutachtete Stempel und Unterschrift. Dann sachte er, der Wisch sei eene Fälschung und Ilona
     soll mitkommen   ... Ick gloobe, der hat det nur behauptet – det mit der Fälschung. Die Chefin wußte, daß es eene war, und glaubte, Stieber
     hätt’ se überführt.«
    Mia war klüger, als Lamartine angenommen hatte.
    »Bei uns verkehrten einflußreiche Herren. Stieber bat die Männer ins Nebenzimmer, wo se sich in Ruhe ihre Klamotten anziehen
     konnten. Dann erklärte er der Chefin, er müsse det Haus schließen und sie vor Jericht bringen, weil se ’ne Minderjährije zur
     Unzucht valeitet hatte. Die Olle warf sich vor ihm auf de Knie und bettelte. Stieber war det peinlich. Dann sachte er, es
     könnte durchaus sein, dat se de Papiere bekommen hat, ohne zu wissen, dat die Kleene erst

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