Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stiefkinder der Sonne

Stiefkinder der Sonne

Titel: Stiefkinder der Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmund Cooper
Vom Netzwerk:
phantastischen Welt war das Phantastische alltäglich geworden.
    „Du hast dich also mit einer Spielzeugpistole und einem Motorroller auf den Weg gemacht, um ganz England von oben bis unten nach deiner Schwester Jane abzusuchen“, bemerkte er trocken, als sie zu Ende gesprochen hatte. „Was hat dich zu der Annahme gebracht, daß du lange genug am Leben bleiben wirst, um aus London herauszukommen?“
    „Ich habe nicht wirklich gewußt, wie die ganze Sache werden würde“, gab sie zu. „In den letzten zwei Jahren war ich nicht allzuoft draußen. Die haben uns ganz schön auf Trab gehalten, weißt du.“
    „Wer denn?“
    „Die Leute aus Richmond.“
    Es stellte sich heraus, daß die Leute aus Richmond eine Gruppe von fast hundert Männern waren, die fünfzehn bis zwanzig Frauen unter sich teilten und den Versuch anstellten, sich zu einer Stammesgruppe zu organisieren. Ihr Anführer war ein ehemaliger Ringer aus Kanada, der sich Johnny Blaupelz nannte – ein Riesenkoloß von einem Mann, bei dem das Verhältnis von Körpergewicht zum Gehirn zwar gegenüber dem Dinosaurier eine Verbesserung erkennen ließ, aber keine große.
    Überraschend war jedoch, daß die Vorfahren von Johnny Blaupelz – Franzosen und Eskimos – einen Riesenkerl gezeugt hatten, der nicht nur ein freundlicher Mensch, sondern auch noch mit einem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn ausgestattet war. Da er außerdem an Frauen nicht das geringste Interesse hatte, konnte er so über allen Streitereien zwischen den verschiedenen Parteien stehen.
    Die Herrschaft von Johnny Blaupelz schien dazu bestimmt zu sein, lange anzudauern und außergewöhnlich friedlich zu sein – bis ungefähr dreißig schwerbewaffnete Männer aus dem Norden kamen. Sie kamen in zwei uralten Armeelastwagen, und sie kamen nicht als Feinde, sondern einfach als eine Gruppe von Männern, die ‚plündern wollten’. Nachdem man ihnen klargemacht hatte, daß es in Richmond nichts zu plündern gab – eine Tatsache, die dadurch noch sanft betont wurde, daß Johnny Blaupelz all seine Männer mit ihren Gewehren, Maschinenpistolen und Pistolen versammelte –, wurden sie gastfreundlich dazu eingeladen, die Nacht im Haus zu verbringen.
    Das Haus war eines jener großen, weitläufigen viktorianischen Privatpaläste, die den Industriellen des neunzehnten Jahrhunderts zum Wohlergehen an den Ufern der Themse errichtet worden waren. Nun war es zu Beginn der letzten beiden Dekaden des zwanzigsten Jahrhunderts in eine Kombination aus Bordell, Krankenhaus, Hauptquartier, Häuptlingssitz und Lagerhaus für die Leute aus Richmond umfunktioniert worden.
    Johnny Blaupelz war naiv genug, trotz der eindringlichen Warnungen seiner Offiziere zu glauben, daß die Besucher seine Gastfreundschaft nicht mißbrauchen würden – besonders im Hinblick auf die zahlenmäßige Überlegenheit an Waffen und Männern. Aber die Männer aus dem Norden (die zu ihrer Heimat nur vage Angaben machten und nicht mehr sagen wollten, als daß sie ‚ein Plätzchen in Lancashire’ hätten) waren entschlossen, habgierig und sehr gut organisiert. Weit besser organisiert als die Leute aus Richmond.
    Es waren harte Burschen, ihnen fehlten Waffen und Frauen, und sie hatten nicht die Absicht, mit leeren Händen abzuziehen.
    Johnny Blaupelz organisierte zu ihren Ehren ein üppiges Fest. Der Wein wurde freigiebig herumgereicht, ebenso die Frauen – unter ihnen auch Liz und Jane, die besonders beliebt zu sein schienen, da sie Zwillinge waren.
    Die Party war erst ein paar Stunden vor der Morgendämmerung zu Ende.
    Eine Stunde später, als der größte Teil der Leute aus Richmond fest ihren Rausch ausschliefen und selbst die Hauswachen eingedöst waren, wurden die Leute aus dem Norden plötzlich sehr lebendig. Sie hatten offensichtlich nur so getan, als würden sie viel trinken, oder aber sie verfügten über eine wahrhaft erstaunliche Trinkfestigkeit.
    Es wurde sehr wenig geschossen. In der Dunkelheit war es schwer, Freund von Feind zu unterscheiden, und es gab weder Gelegenheit noch Zeit dazu, die Öllampen anzuzünden.
    Ungefähr fünf Minuten lang herrschte völliges Chaos. Johnny Blaupelz zeichnete sich dadurch aus, daß er drei Männer (einer davon gehörte zu seinen eigenen Leuten) im zweiten Stock aus dem Fenster warf, bevor er selbst durch einen Schlag mit dem Gewehrkolben niedergestreckt wurde. Eine der Wachen im Erdgeschoß erwischte mit einem Feuerstoß aus der Maschinenpistole vier von den Angreifern, wurde dann aber

Weitere Kostenlose Bücher