Stiefkinder der Sonne
selbst erschossen.
Den Leuten aus dem Norden gelang es, mit sechs von den Frauen (die teilweise zu betrunken oder erschöpft waren, um sich daraus viel zu machen), acht Gewehren und ungefähr zweihundert Schuß Munition davonzukommen. Liz hätte genau wie Jane zu den geraubten Frauen gehören können, da sie mit einem der Angreifer die Nacht hatte verbringen müssen, aber sie fing an zu schreien und sich zu wehren, als er sie mitschleifen wollte. Er drehte daraufhin durch und versuchte, sie zu würgen, bis sie sich fügte, aber irgendwie gelang es ihr, ihm in den Magen zu treten; während er sich davon erholte, gelang es ihr, wegzukriechen und in der Dunkelheit und dem Durcheinander davonzukommen.
Offensichtlich waren sie und Jane buchstäblich unzertrennlich gewesen. Sie waren von den Leuten in Richmond ‚beschlagnahmt’ und damit wahrscheinlich vor dem Hungertod oder einem Tod aus anderen transnormalen Gründen gerettet worden. Sie waren seit dem Sommer 1979 bei ihnen gewesen. Die Prostitution, von Johnny Blaupelz großartig ‚freie Liebe’ genannt, stellte sich als nicht ganz so schlimm heraus, wie sie es befürchtet hatten. Sie hatten zumindest genug zu essen und waren relativ sicher, und wenn man sein Leid miteinander teilen konnte, dann schien es nicht ganz so schlimm zu sein. Seit Janes erzwungener Abreise vor ein paar Tagen hatte sich bei Liz ein merkwürdiges Gefühl eingestellt, als sei sie tot. Sie fühlte sich, als hätte ihr jemand eine gewaltige Dosis eines Betäubungsmittels für Geist und Körper gegeben. Nichts war mehr wichtig. Nichts als der Wunsch, heißt das, Jane auf irgendeine Art wiederzufinden, damit sie mit ihr wieder zusammen sein konnte. Sie entschloß sich, bei der ersten Gelegenheit von den Leuten in Richmond zu fliehen.
Greville hatte sich den Rest ihrer Erzählung zum größten Teil wortlos angehört. Er war nicht überrascht. In jener Zeit gab es kaum etwas, das ihn hätte überraschen können.
Als sie fertig war, sagte er: „Du bist also jetzt mein Problem.“
„Nicht, wenn du nicht willst, daß ich es bin“, sagte Liz einfach.
„Ich habe dir das Leben gerettet, nicht wahr?“
„Ja.“
„Dann scheint es mir nicht mehr als vernünftig, wenn ich daran ein gewisses Interesse habe.“
„Hast du eine Frau?“ fragte sie unverblümt.
„Nein.“
„Willst du eine?“
„Weiß ich nicht. Das habe ich mir noch nicht überlegt.“
„Na, dann solltest du dir es wohl besser überlegen“, sagte sie praktisch. „Wenn du aber nur mal ordentlich vögeln willst, dann entschließe dich, damit wir es hinter uns bringen können. Dann können wir wieder unserer eigenen Wege gehen.“
Ihre Gelassenheit ärgerte ihn. Greville sah sie sich noch einmal genau an – und dieses Mal zog er sie in Gedanken aus. Sie blieb ungerührt.
„Ich gehe nie vor Mittag mit einer Frau ins Bett“, bemerkte er humorlos.
„Wer hat denn etwas von einem Bett gesagt?“ gab sie zurück. „Und wenn du dir Gedanken machst über meine Gefühle – das kannst du vergessen. Leute wie ich müssen das machen, wenn wir am Leben bleiben wollen.“
Greville lehnte es für sich ab, auch nur das geringste Mitleid zu zeigen, denn Mitleid war nichts weiter als die Übergabe einer Waffe an den Gegner. „Ich nehme an, auch Leute wie du finden nach einiger Zeit ihren Geschmack daran.“
„Besonders Leute wie ich“, sagte Liz. „Und besonders, wenn wir ein Jahr lang oder zwei jeden Tag ungefähr zweimal gevögelt werden. Entweder wir springen in den Fluß, oder wir finden Geschmack daran.“ Sie erwiderte seine kritische Inspektion mit Interesse. „Es ist klar“, meinte sie noch, „es gibt Zeiten, da ist es einem trotzdem zuwider, aber ich habe gelernt, damit fertig zu werden.“
Greville schlug sie. Es war kein sehr harter Schlag, aber sie fing überraschenderweise an zu weinen.
Trotz der Andeutungen in der letzten Bemerkung wußte Greville eigentlich nicht, warum er sie geschlagen hatte – ebensowenig wie er wußte, warum er jetzt den Arm um sie legte und versuchte, sie zu trösten.
„Das warst nicht du. Das warst nicht du“, schluchzte sie. „Es waren diese schrecklichen Hunde … Oh, verdammt, ich muß mich übergeben.“
Greville machte die Wagentür auf und half ihr hinaus. Sie würgte, aber es kam sehr wenig. Als sie fertig war, begann sie heftig zu zittern. Mit dem Schrotgewehr in der Hand und einem wachsamen Auge auf die mögliche Anwesenheit von Hunden brachte er sie dazu, auf der
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