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Stiefkinder der Sonne

Stiefkinder der Sonne

Titel: Stiefkinder der Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmund Cooper
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sich nämlich der Überzeugung verschworen, Gott sei verrückt, grausam und völlig absurd.
    Gott, so glaubten sie (oder zumindest die Fanatiker unter ihnen glaubten das), hatte der Menschheit die Omega-Strahlung und den Schönwetterselbstmord deshalb geschickt, weil die Gefahr bestand, daß die Menschen eine rationale, gesunde und blühende Gesellschaft entwickelten. Sie glaubten weiter, daß Gott die Zerstörung absichtlich unvollständig gelassen hatte, weil er den Erwählten die Möglichkeit der Erlösung geben wollte. Die Erwählten waren selbstverständlich die Frevelbrüder. Es war ihre Aufgabe, Gottes Werk bei den geringeren Sterblichen zur Vollendung zu bringen; und wenn sie die Aufgabe erledigt hatten, den Planeten zu reinigen, dann durften sie das letzte Privileg genießen und sich selbst umbringen. Ihrer Theologie nach war es ihnen an diesem Punkt bestimmt, in unsterblichem Wahnsinn in einem unbeschreiblich psychotischen Himmel zu existieren, bis Gott sich entschloß, noch interessantere Alpträume zu verwirklichen und sie in einem weit entfernten und unendlich absurden Anti-Eden wieder zu Fleisch werden zu lassen.
    Das Überraschende dabei war nicht, daß Transnormale solche Vorstellungen entwickelten, sondern daß es so vielen Transnormalen gelang, sich so effektiv zu organisieren; die Anzahl der Frevelbrüder nämlich ging inzwischen in die Hunderte. Ihre Todesrate war hoch, aber ihre Rekrutierungsrate war es auch. Und ihr Anführer, der sich Bruder Luzifer nannte, hatte demagogische Qualitäten, für die ihn frühere Tyrannen beneidet hätten.
    Da er von der Voraussetzung ausging, daß Leben, da von Gott gegeben, absurd war, gab er sich die beste Mühe, diese Absurdität noch dadurch zu vergrößern, daß er auf einem Weg von beliebigen Handlungen die absolute Frustration erreichen wollte. Er gestattete es dem Orden, rituellen Kannibalismus zu praktizieren, weil das absurd war; Tod durch Folter aber drohte jedem, der es wagte, Schweinefleisch zu essen, weil er ein Gesetz erlassen hatte, daß Schweine, weil sie fast völlig absurd waren, erhaben seien und die reinste Manifestierung von Gottes Willen darstellten. Bei einer Gelegenheit hatte er sogar ungefähr hundert Brüder geopfert, weil er den vergeblichen Versuch angestellt hatte, ein halbes Dutzend Schweine vor einem riesigen Hunderudel zu retten.
    Obwohl Professor Watkins ständig mit Erniedrigungen überschüttet wurde, wie dies das Konzept der absoluten Frustration verlangte, begann er, an seinen Erfahrungen auf eine masochistische Art fast Gefallen zu finden. Er befand sich in einer einzigartigen Position für Forschungsarbeit, dachte er. Er hatte die Hoffnung noch immer nicht aufgegeben, daß der Alptraum früher oder später ein Ende finden würde und er es schaffen könnte, wieder in eine Welt des akademischen Friedens und der Sicherheit zurückzukehren; in der Zwischenzeit würde er, der geschulte Beobachter, die ursprünglichen, nackten Erscheinungsformen menschlicher Verrücktheit und Verkommenheit aufzeichnen. Eines Tages würde er all das, was hier geschehen war, auswerten und seine Erkenntnisse dazu verwenden können, das herauszubekommen, was bisher noch niemand herausbekommen hatte – durch negative Bezüge die grundsätzlichen Kriterien der geistigen Gesundheit herauszuarbeiten.
    Doch dann wurde er von den Zufallskonsequenzen des Ordens der Frevelbrüder überholt. Die Brüder hatten sich im Nebel verlaufen, Ambergreave entdeckt und beschlossen, es durch ihre Aufmerksamkeiten in einen gottgefälligen Status zu bringen. Es war dies das erste Mal, daß Professor Francis Watkins erlebte, wie die Philosophie der Frevelbruderschaft in größerem Maßstab in die Praxis umgesetzt wurde. Was er da sah, ließ ihn vor Schreck erstarren. Er wurde außerdem schwer durch Bisse verletzt; in einem Zustand des physischen und moralischen Zusammenbruchs hatte er sich in der Windmühle versteckt und gehofft, daß die Brüder weiterziehen und ihn liegenlassen würden. Einer von ihnen fand ihn jedoch, bevor der Orden weiterzog. Als er sich nicht rühren wollte und da er bereits schwer verwundet zu sein schien, schossen sie zur Sicherheit zweimal auf ihn und ließen ihn zum Sterben zurück.
    Das war die Geschichte, die er Greville und Liz erzählte. Er trank dabei dankbar in kleinen Schlucken Wasser und wälzte sich in eine bequemere Stellung.
    Greville hatte gedacht, daß ihn nichts mehr überraschen könnte. Er hatte sich getäuscht. Professor Francis

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