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Stiefkinder der Sonne

Stiefkinder der Sonne

Titel: Stiefkinder der Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmund Cooper
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fuhr langsam nach Ambergreave zurück.
     

20
     
    In den ersten Tagen nach dem Massaker in Ambergreave unternahm Greville jeden Tag Erkundungsfahrten in verschiedene Richtungen, die er sich mehr oder weniger beliebig aussuchte. Bei zwei Gelegenheiten fand er kleine Dörfer, durch die der Orden offensichtlich erst vor kurzer Zeit gekommen war und dabei einen Pfad der Zerstörung hinter sich gelassen hatte, der dem in Ambergreave sehr ähnlich war; er traf jedoch keinen der ‚Mönche’ mehr lebend an. Sie schienen sich in südlicher Richtung zu bewegen. Vielleicht waren sie auf dem Weg nach London. Greville hoffte eigentlich, daß dies der Fall war. In London und Umgebung war die Möglichkeit groß, daß sie auf Widerstand stoßen würden, der zu heftig für sie war, um damit fertig zu werden. Das schlimmste Schicksal, das er ihnen wünschen konnte, war nicht, daß sie auf eine Gruppe von Menschen stoßen würden, die zahlreicher und besser bewaffnet waren als sie. Vielmehr hoffte er, daß sie die Aufmerksamkeit eines großen Rattenschwarms erregen würden – am besten hungrige Ratten und am besten bei Nacht.
    Währenddessen ging es Francis trotz seines Alters und trotz seiner mangelnden Widerstandskraft besser. Greville hatte unter seinen Schätzen im Keller eine große Menge von uralten und völlig nutzlosen Penicillin-Tabletten. Die verfütterte er wie Süßigkeiten an Francis, und der alte Mann entwickelte eine Vorliebe für sie, weil sie noch Reste des synthetischen Orangengeschmacks aufwiesen. Sie schienen ihm nicht zu schaden, und möglicherweise halfen sie ihm sogar ein wenig.
    Greville gestattete es Francis, weiter jenes Bett in Beschlag zu nehmen, in dem er und Liz ihre private Welt der Ekstase aufgebaut hatten. Das Schlafzimmer wurde zum Privatbereich von Francis. Greville fand ein riesiges Himmelbett in einem der verlassenen Häuser Ambergreaves. Stück für Stück schleifte er es hinunter zum See und transportierte es, indem er es auf dem Wasser treiben ließ, auf die Insel. Weiteres Suchen brachte ihm eine Schaumgummimatratze ein.
    Das Himmelbett war herrlich, handgeschnitzt und offensichtlich sehr alt. Als es im Wohnzimmer zusammengesetzt war, war Liz so entzückt davon, daß sie einen Himmel und Vorhänge dafür nähte. Das Bett beherrschte das Zimmer vollständig, und abends, wenn Francis sich taktvoll in sein eigenes Revier zurückgezogen hatte, machten Liz und Greville mit einem leicht sündigen Gefühl ein Riesenfeuer im Kamin und zogen sich in das Bett zurück, nur um dort zu reden und in die Flammen zu schauen. Dann, nach einiger Zeit, wenn die Stimmung richtig war, zog Greville die Vorhänge zu und reduzierte den Kosmos zu einem Würfel, der einen Mann und eine Frau enthielt.
    Trotz des ausreichenden Essens und des doppelten Luxus des Sex, aus dem Liebe geworden war, konnte die Welt draußen doch nicht ganz und gar ignoriert werden. Der Herbst neigte sich, und die Tage wurden länger, Liz litt immer häufiger unter Alpträumen über Jane, die Chancen für das Überleben wurden ständig schlechter, und hinter ein paar Metern Wasser lag das Dorf Ambergreave, still, stinkend und verlassen – eine ständige Erinnerung daran, daß das, was gestern geschehen war, sich in ähnlicher Form morgen wiederholen konnte.
    Die Menschen hatten sich ebenso wie die Schweine und die Ratten dem Kannibalismus zugewandt. Die überlebenden Transies lebten von der Vergangenheit und voneinander und waren aus diesem Grund zu einem sicheren Untergang verurteilt. Früher oder später würde ihre Anzahl sich auf eine kritische Zahl senken; und dann würde der Mensch wie der Dodo und der Phoenix zu einer Legende in einer Welt werden, in der sich niemand um Legenden kümmerte.
    Wäre er auf sich allein gestellt gewesen, so hätte sich Greville sicher damit zufriedengegeben, von einem Tag zum anderen zu leben und jeden Tag so zu nehmen, wie er kam, dankbar für weitere vierundzwanzig Stunden Aufschub. Aber da war Francis, und wenn Greville jemals versucht gewesen wäre, diese Insel als eine Art schäbiges Eden anzusehen, dann wäre Francis auf jeden Fall die Rolle der Schlange zugekommen.
    „Weißt du“, sagte Francis an einem Nachmittag, als sie vor der Tür saßen und eine Stunde späten Sonnenschein genossen, „was mich am traurigsten macht, ist der Umstand, daß es wahrscheinlich nicht mehr genug Leute gibt, die sich Gedanken machen.“
    „Gedanken über was?“ fragte Greville. Er sah Liz zu, die ein Huhn rupfte

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