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Stiefkinder der Sonne

Stiefkinder der Sonne

Titel: Stiefkinder der Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmund Cooper
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die noch nicht verlorengegangen sind.“

21
     
    Auszug aus Grevilles Tagebuch:
    „Oktober. Tag neunzig – eine Genauigkeit, die ich mir als kleinen Luxus erlaube. Es ist natürlich ungenau. Ich halte nie etwas durch, noch nicht einmal die Memoiren eines Totengräbers im Beinahe-Ruhestand.
    Francis ist tot. Er war nicht lange genug bei uns, daß dies wirklich eine große Rolle spielen sollte. Und doch hat er eine Rolle gespielt. Was war es, das er an sich hatte? Er war nichts als eine einsame, traurige Kreatur, ein absurder alter Mann mit dem Kopf voller Abstraktionen und langer Wörter. Er war nicht für das Überleben programmiert. Er war sogar noch zu dumm, richtig für sich selbst zu sorgen.
    Oft hat er sich tagelang nicht gewaschen. Wenn Liz ihn nicht zu einem Minimum von Hygiene gezwungen hätte, dann hätte er alle seine Kleider getragen, bis sie stanken oder in Fetzen von ihm herunterfielen. Er war faul, er war unpraktisch, er war hochnäsig. Und doch … Und doch mochte ich ihn. Warum zum Teufel soll ich eine solche Zuneigung zu jemandem verspüren, der so absurd war? Meine Schwierigkeit ist es, daß ich wieder lerne, jemanden zu mögen. Das ist gefährlich.
    Francis war absurd genug, auf absurde Art aus einem absurden Grund zu sterben. Oder vielleicht aus zwei Gründen. Ich werde es nämlich nie wissen, ob er für das Wörterbuch gestorben ist oder für einen halbverhungerten Jungen in Katzenfellen. Wahrscheinlich war es im Grunde mein Fehler. Ich hätte ihm nicht nachgeben sollen. Was war er denn schließlich? Nichts weiter als ein menschliches Wrack, zu dessen Rettung mich Liz wider besseres Wissen überredet hat.
    Schon gut, mein lieber Greville! Spiel dich als Herrgott auf! Fälle dein göttliches Urteil über eine weitere Maschine, die versagt hat!
    Die Wahrheit ist die, daß über Francis kein Urteil als der übliche offene Spruch zu fällen ist. Ich mochte ihn, das ist alles.
    Es passierte auf einer Plünderungsexpedition. Liz und ich hatten die übliche Wunschliste zusammengestellt – Essen, Kleider, Feuerwaffen, Munition, Benzin, Heizöl. Francis aber wollte nur Bücher. Ich sagte ihm, daß wahrscheinlich keine Zeit dazu bleiben würde, sich um Bücher zu kümmern, aber er wollte trotzdem mitkommen. Er hatte wahrscheinlich die Theorie, ihm würde es gelingen, mich davon zu überzeugen, daß wir uns die Zeit nehmen müßten. Er hatte Erfolg damit – und starb.
    Wir hatten eigentlich Glück gehabt. Das Auto lief gut, die Straßen (oder was noch davon übrig war), die wir uns ausgesucht hatten, bargen keine unangenehme Überraschungen, und sogar das Wetter war schön. Ich hatte mich entschlossen, Städten oder Dörfern soweit wie möglich aus dem Weg zu gehen. Einzeln stehende Häuser, vorzugsweise große – und vorzugsweise unbewohnte – waren unser Hauptziel. Wir wollten gegen niemanden kämpfen. Wir wollten nur plündern. Falls es aber doch zum Kampf kommen sollte, so waren wir darauf so gut vorbereitet, wie uns das möglich war: ein Gewehr, ein Revolver und zwei Schrotgewehre. Mit Munition waren wir nicht schlecht versorgt, denn ich hatte einiges in den Ruinen von dem gefunden, was die Frevelbrüder von Ambergreave übriggelassen hatten.
    Die ersten zwei Häuser, die wir untersuchten, waren so kahl wie ein abgenagter Knochen. Das dritte war bewohnt, und wir schafften es gerade noch, das Auto zu wenden und uns so schnell wie möglich davonzumachen, bevor die Schüsse treffsicherer wurden. Das vierte Haus aber war eine Goldmine. Es war schwer zu verstehen, warum es noch nicht vorher ausgeräumt worden war. Vielleicht lag es zu isoliert. Wir entdeckten es nur zufällig. Liz entdeckte etwas, das wie eine schmale Straße aussah, die in den Wald führte – und an ihrem Ende lag das Haus.
    Unsere Beute bestand aus drei Hosen, fünf Hemden, einigen Decken, zwei Abendkleidern (etwa aus dem Jahre 1974), ungefähr einem Dutzend Büchsen ohne Schilder (später fanden wir heraus, daß in allen Fruchtsaft war), zwei Öllampen, verschiedenen Werkzeugen und ungefähr sechs oder sieben Gallonen Heizöl in einem Fünfundvierzig-Gallonen-Faß. Glücklicherweise hatten wir zwei leere Fünf-Gallonen-Kanister mitgebracht.
    Das nächste Haus, das wir fanden, war noch besser. Es lag ganz in der Nähe und war wahrscheinlich früher die Hütte des Jagdaufsehers gewesen. Dort erwischten wir ein rostiges Schrotgewehr, eine Schachtel Kerzen, ein großes Glas mit eingelegten Zwiebeln, zwei kleine Gläser mit Marmelade,

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