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Stiefkinder der Sonne

Stiefkinder der Sonne

Titel: Stiefkinder der Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmund Cooper
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gab keine Probleme mehr zu lösen – außer den gewöhnlichen persönlichen. Jetzt blieb nur noch die Aufgabe, einen Urteilsspruch zu fällen.
    „Die Menschheit“, sagte er, „war keine zehntausend Jahre mehr wert. Sie war verfault.“
    Auch Francis hatte seinen Spaß. Es war eine lange Zeit her, seit er das letzte Seminar abgehalten hatte. „Beethoven war also verfault? Und Buddha und Leonardo da Vinci und Sokrates und – da kommen wir unserer Zeit ein wenig näher – Dag Hammarskjöld und Albert Schweitzer?“
    Greville lachte. „Transies“, sagte er, „bekloppte Transies, völlig daneben. An Größenwahn haben sie gelitten – genau wie Attila, Dschinghis Khan, Julius Caesar, Napoleon, Hitler, Stalin … Und sogar Jesus Christus … Alles Transies … Extrem gefährliche Exemplare in einer Welt von zu schnell gewachsenen Affen.“
    Francis erlaubte sich, eine Empörung zu zeigen, die er nicht wirklich empfand. „Die Schwierigkeit mit dir ist die, daß du dich nicht traust, zuzugeben, was wir verloren haben. Du traust dich nicht, etwas zuzugeben, denn wenn du das machen würdest, wärst du zu Tränen gerührt … Ja, wir haben im zwanzigsten Jahrhundert Menschen abgeschlachtet, wie wir sie in der gesamten Geschichte abgeschlachtet haben. Wir haben ihre Körper und ihren Geist getötet. Zur gleichen Zeit ist aber Blinden das Augenlicht wiedergegeben worden, Tauben das Gehör, Verstümmelte bekamen neue Gliedmaßen. Wir konnten eine Stimme über den ganzen Planeten hören, ein Orchester konnte für drei Kontinente spielen. Wir haben es fertiggebracht, denkende Maschinen auf dem Mond landen zu lassen. Was wir verloren haben, als sich die Sonne zu einem himmlischen Schluckauf entschloß, war nicht so sehr die Masse von ein paar tausend Millionen Menschen, sondern eine Vision von Größe … Wir hätten groß sein können, weißt du. Mit der Zeit hätten wir sogar so groß werden können, daß wir in die Gedanken Gottes hätten eindringen können.“
    „Jetzt weiß ich endlich, warum ich überlebt habe“, gab Greville zurück. „Du bist nichts als ein weiterer frustrierter Retter der Menschheit. Du hast in deiner kleinen akademischen Welt gelebt und mit dem Allmächtigen Kreuzworträtsel gelöst, und Erektionen hast du keine gehabt, weil du der Meinung warst, das sei doch ein ganz klein wenig zu ungehobelt. Du bist nichts als ein Affe mit einem Computerkomplex. Du glaubst, weil du ein paar Millionen graue Zellen oben auf deiner Wirbelsäule sitzen hast, seist du besser als ein Baum. Woher zum Teufel weißt du denn, ob ein Baum nicht viel besser dazu geeignet ist, in das einzudringen, was du so großspurig die Gedanken Gottes nennst?“
    „Weil“, sagte Francis, „ein Baum nie mehr als ein Baum ist. Es hat aber Augenblicke gegeben, da waren Menschen größer als die Menschheit … Das mit dem Affen will ich dir zugeben. Nenn du mir dafür ein paar Konzepte, die die Existenz von Leben auf dieser ausgebrannten Schlacke rechtfertigen könnten, die sich da albern um einen mickrigen Stern dreht.“
    „Heiß oder kalt?“ fragte Liz. Sie hatte das Huhn fertiggerupft, und das war ihr erster Beitrag zu der Unterhaltung.
    „Wie bitte?“ sagte Francis.
    „Ich sagte: heiß oder kalt?“
    „Wir lassen im Augenblick die Gedanken Gottes kurzfristig beiseite und machen uns Gedanken über die Zukunft eines toten Huhns“, erklärte Greville trocken. „Liz ist weniger intellektuell als praktisch. Du und ich, wir können uns vielleicht über das theoretische Potential der Menschheit unterhalten, wie es jetzt aussieht, aber sie sorgt dafür, daß wir das mit vollem Bauch tun. Außerdem ist sie für die Erleichterung von sexuellem Druck gut, und das hält mehr als alles andere die ewige Kälte fern.“
    Liz musterte sie. „Ihr seid beide von einer Frau geboren worden“, sagte sie. „Ich hoffe nur, daß die Nummer, die dafür notwendig war, befriedigender war als das Endprodukt … Also, heiß oder kalt?“
    „Heiß“, sagte Francis.
    „Kalt“, sagte Greville.
    Liz grinste. „Ihr lügt alle beide.“ Sie nahm das Huhn und ging damit ins Haus.
    Greville sah ihr nach, und das Herz wollte ihm zerspringen.
    Francis sah Greville an. „Eigentlich hat sie recht. Wir sind beide Lügner. Du glaubst das, was du sagst, genausowenig, wie ich glaube, was ich sage.“
    Doch dann konnte er nicht widerstehen und fügte eine Spur bösartig hinzu: „Auf der anderen Seite sieht es so aus, als seien noch ein paar Dinge übrig,

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