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Stiefkinder der Sonne

Stiefkinder der Sonne

Titel: Stiefkinder der Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmund Cooper
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verschwenden, aber insgeheim war er von der offensichtlichen Lebensfreude der Tiere zu sehr bewegt, um sie irgendwie stören zu wollen. Außerdem hatten sie zur Zeit genug zu essen.
    Rehe sollte man erst dann schießen, wenn es wirklich notwendig war, meinte er.
    Als die Nacht kam, hatten sie fast siebzig Meilen hinter sich gebracht. Das war für den Anfang nicht schlecht. Gar nicht schlecht. Dieses Mal suchte sich Greville einen kleinen Hügel, der nach der Karte meilenweit von der nächsten Ansiedlung entfernt war. Er ließ das Auto am Straßenrand stehen, teils aus der Überlegung heraus, daß irgendwelche Tiere, die auf Beute aus waren, wahrscheinlich den nahegelegenen Wald vorziehen würden, und teilweise deshalb, weil sie so im Notfall leichter wegkommen würden.
    Es gab jedoch keine Zwischenfälle – zumindest keine außer Liz. Die Alpträume schienen sie noch fester zu umklammern als vorher. Dieses Mal schrie sie nicht, sondern stöhnte nur und zitterte und weinte leise vor sich hin. Greville gelang es nicht, sie aufzuwecken. Sie blieb zusammengerollt auf ihrem Sitz liegen, schlief immer wieder kurz und gab die meiste Zeit traurige und unmenschliche kleine Geräusche von sich. Dies dauerte bis lange nach Tagesanbruch an.
    Als sie endlich zu sich kam, schien sie Greville eine Zeitlang nicht zu erkennen, und für den Rest des Morgens war sie merkwürdig verschlossen. Sie hatte das Frühstück wie ein Automat zubereitet, der für die Aufgabe programmiert ist, und genauso hatte sie es auch verzehrt.
    Greville respektierte ihre Stimmung und versuchte, nicht zu sehr in ihre privaten Gedanken einzudringen. Er hatte den Eindruck, daß sich im Verlauf des Morgens ihre Stimmung etwas verbesserte. Er nahm an, dies habe damit zu tun, daß sie sich Leicester näherten und sie das Gefühl hatte, der schlimmste Teil ihrer Fahrt läge hinter ihnen.
    Es hatte jedoch nichts damit zu tun, wie weit sie noch von Leicester oder Manchester entfernt waren.
    Während sie auf einem monoton geraden und relativ unbeschädigten Stück Straße entlangfuhren, sagte Liz abrupt: „Jane ist tot. Sie ist letzte Nacht gestorben … Ich bekomme ein Kind.“
    Greville hielt das Auto an und sah sie verblüfft an. „Sag das noch einmal – langsam. Vielleicht bin ich mehr weggetreten, als ich gedacht habe.“
    „Jane ist tot“, wiederholte Liz. „Sie ist letzte Nacht gestorben. Es war eine Art Fieber … Scheiße, ich weiß nicht wirklich, was es war. Vielleicht war es nur Unterernährung und Kummer, oder vielleicht konnte sie das Vögeln nicht mehr aushalten … Sie läßt dir auf jeden Fall ihren Dank ausrichten. Sie hat gesagt, du bist in Ordnung … Wir brauchen also nicht mehr nach Manchester, oder?
    Sie ist wirklich tot, weißt du … Ich bin … Ich bin abgeschnitten. Das ist ein komisches Gefühl … Vor langer Zeit habe ich einmal in einem Buch gelesen, daß Leuten Gliedmaßen amputiert werden mußten. Hinterher haben manche von ihnen noch die Finger und Arme gespürt, die nicht mehr vorhanden waren … Phantomgliedmaßen haben sie sie genannt, glaube ich … So was fühle ich jetzt auch … Eigentlich ist es komisch.“
    Greville sah sie an. Ihre Augen waren trocken, und sie war fast unnatürlich ruhig. In ihrer Stimme war nicht das leiseste Zittern.
    „Jane ist also tot“, brachte er schließlich heraus. „Das tut mir leid … Das tut mir wirklich leid … Bist du sicher, daß sie tot ist?“
    „Ich bin sicher.“
    Ein oder zwei Minuten sagte Greville nichts. „Du hast noch etwas gesagt“, erinnerte er sie schließlich. „Das hat offenbar nichts mit Jane zu tun gehabt.“
    „Stimmt. Ich kriege ein Kind.“
    Wieder war er eine Zeitlang still. Dann: „Seit wann weißt du das?“
    „Seit drei Monaten“, sagte Liz gleichgültig. „Vielleicht sind es auch vier … Man verliert das Zeitgefühl.“
    „Verdammt noch mal, warum hast du mir das nicht schon früher gesagt?“ explodierte er heftig.
    Liz lächelte.
    „Das wird ein kleines Mädchen … Wahrscheinlich werde ich sie Jane nennen.“
    „Ich habe gesagt, warum, zum Teufel, hast du mir das nicht schon vorher gesagt?“
    „Vielleicht hättest du mich rausgeworfen. Vielleicht hättest du mir gesagt, ich soll abhauen und das Kind im Feld auf die Welt bringen … Außerdem hättest du das wissen müssen. Du hast doch gesehen, daß ich dicker geworden bin, oder?“
    „Als ich dich gefunden habe, da warst du nur Haut und Knochen. Ich habe angenommen, daß du ein bißchen

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