Stigma
seinen Augen, machte ihn noch blinder, als er ohnehin schon war. Er schlug wild mit dem Radschlüssel um sich, bis er plötzlich auf Widerstand traf. Eine Hand, die das Metall festhielt, so unnachgiebig wie ein stählerner Greifarm. Warmer, feuchter Atem schlug ihm entgegen.
Geht weg, ihr verdammten Spinnen, haut endlich ab …!
Er fühlte eine Berührung. Hände, die ihn packten und fortschleuderten. Keuchend prallte er gegen eine Wand, schlug hart mit dem Kopf auf. Der Radschlüssel entglitt seinen Fingern, und einen Moment lang drehte sich sogar die Dunkelheit vor seinen Augen. Er fühlte, wie alle Kraft aus ihm entwich. Seine Beine gaben nach, und er rutschte an der rauen Wand hinunter. Eine wohlige Schwere umgab ihn, als wäre die Luft plötzlich dichter geworden. Dieses Gefühl weitete sich auf seinen Verstand aus, ließ ihn träge dahingleiten.
Als er kurz darauf wieder bei vollem Bewusstsein war, fühlte er etwas Kratziges an seinen Beinen und stellte erschrocken fest, dass er fast nackt war. Er konnte sich vage daran erinnern, wie jemand hastig an ihm gezerrt, ihm die Kleider heruntergerissen und ihn wie eine Schaufensterpuppe hier ausgestellt hatte. Seine Hände ertasteten den groben Stoff, der ihn von dem blanken Boden trennte.
Eine Decke. Und er hätte sein Leben darauf verwettet, dass sie grau war.
Da sind wir also wieder, dachte er und atmete tief durch. Es beginnt erneut!
»Zeig dich endlich, du Mistkerl!«, rief Tom und trat wild mit den Beinen ins Leere. »Wer bist du?«
Lichter zuckten auf, blinzelten wie verschlafene Lider, bevor sie den Raum erhellten.
Dann ertönte schallendes Gelächter.
Geblendet hielt sich Tom die Hand über die Augen und starrte auf die Gestalt, die sich verschwommen und in Licht getaucht vor ihm aufbaute.
»Stefan?« Seine Stimme klang, als wäre er kurz vorm Ersticken.
Fanta hatte Mühe, seinen Lachanfall unter Kontrolle zu bekommen. »Oh Mann, es ist doch immer wieder eine Offenbarung, dich zu verarschen, Alter«, stellte er schließlich erschöpft fest.
Toms Augen gewöhnten sich allmählich an das Licht, und was sie sahen, war so erschreckend und so unglaublich, dass es ihm sekundenlang den Atem verschlug. Es war alles genauso wie in seiner Erinnerung. Die Kühltruhe in der rechten hinteren Ecke. Der Trophäenschrank. Gegenüber die Werkbank mit den Schubladen. Der Mauervorsprung. Sogar die Bohrer an der Wand hingen alle an ihrem Platz. Er befand sich in einer exakten Kopie jenes Kellerraumes, in dem er als Kind gefangen gehalten und gefoltert worden war. Alles war bis ins kleinste Detail identisch. Sogar die Spinnweben an der Decke.
»Das …«, stammelte er hilflos. »Das kann nicht sein. Das ist …«
»Unmöglich?« Fanta grinste ihn an und schüttelte den Kopf. »In meiner Welt existiert dieses Wort nicht. Alles lässt sich plausibel erklären, mein Freund. Aber dazu kommen wir später.«
Toms Blick blieb an Fanta hängen, der so gelassen und routiniert vor ihm stand, als hätte er diesen Auftritt seit Monaten einstudiert.
»Aber ich dachte, du wärst tot.«
Fanta stemmte die Fäuste in die Hüften und legte den Kopf etwas schief. »Sehe ich wirklich so gruftig aus?«, fragte er mit übertriebenem Ernst.
»Ich habe dich gesehen«, bekräftigte Tom. »Du hast im Kofferraum deines Autos gelegen. Deine Pupillen waren völlig starr. Du warst tot!«
»Nun, wie du siehst, erfreue ich mich bester Gesundheit. Was deinen Bezug zur Realität ja irgendwie infrage stellt, findest du nicht?«
»Lass die Sprüche! Sag mir lieber, was das Ganze soll!«
»Vielleicht wollte ich dir damit nur demonstrieren, dass nicht immer alles so ist, wie es scheint. Und ganz nebenbei war es eine gute Methode, um festzustellen, ob deine Entschlossenheit auch tatsächlich stark genug ist.«
Das Feuer in Toms Innerem wurde zu einem Waldbrand. Für einen albernen Streich hatte er durchaus Verständnis, das hier jedoch ging zu weit. Wütend rappelte er sich auf, doch Fanta stieß ihn entschieden zurück.
»Du solltest lieber sitzen bleiben«, meinte er trocken.
»Was ist los mit dir, bist du übergeschnappt?«, brüllte Tom ihn an. »Gib mir sofort meine Klamotten zurück, und mach den Weg frei. Dir ist hoffentlich klar, dass hier gleich alles über unseren Köpfen einstürzen wird.«
Fanta gab sich weiter unbeeindruckt. »Das hoffe ich doch sehr« war seine Antwort. »Es wäre wirklich äußerst schade, wenn die ganze Arbeit umsonst gewesen wäre. Aber mal abgesehen davon,
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