Still und starr ruht der Tod
hatte.
In der Küche wärmte sie Milch an. Es klingelte. Brachte Lon ein Frühstück? Bei dem Gedanken lachte Katinka leise auf und ging zur Tür, blickte durch den Spion. Auf dem Treppenabsatz stand Dante.
»Was machen Sie denn hier?«, fragte sie ehrlich überrascht.
»Croissants? Bagels? Muffins? Alles vorhanden.« Er schlüpfte aus seinen dicken Tretern, während er Katinka eine Bäckertüte in die Hand drückte.
»Woher wussten Sie, dass ich zu Hause bin?«, fragte sie verdutzt.
»Ihr Wagen steht im Innenhof. Völlig zugeschneit. Sieht süß aus. Wie der Unterkörper eines Schneemannes.«
»Was nichts heißt.«
»Ich habe Ihren Herrn Kollegen «, er betonte das Wort mit einem spöttischen Augenaufschlag, »auf der Straße getroffen. Er ist zu Fuß unterwegs in sein Büro. In Bamberg geht nichts mehr. Alle sieben Hügel sind dicht.«
»Ehrlich gesagt«, Katinka ging Dante voraus in die Küche, »ist so eine kleine Zwangspause nicht schlecht.«
»Wenn man es nicht eilig hat …«
»Setzen Sie sich. Wollen Sie das Update hören?«
»Ich bitte darum!«
»Vorausgesetzt, Sie nehmen diese alberne Mütze ab.« Sie wies auf das bunte Ohrenklappenmonstrum auf Dantes Kopf.
»Schon mal was von Corporate Identity gehört?«
»Das haben die Amerikaner erfunden.« Katinka stellte zwei Tassen Kaffee auf den Tisch.
»Hören Sie mir mit den Amerikanern auf!« Dante griff nach einer Tasse und schnupperte genießerisch. »Wiener Melange gibt es in Bamberg nur im Haus Palfy. Oder soll ich ›Palais Palfy‹ sagen?«
»Danke für das Kompliment.« Katinka setzte sich und berichtete Dante haarklein alles, was rund um den Literatur- und Fresszirkel passiert war. Sie gab dem Reporter auch die Ausdrucke mit Ritas Charakterstudien zu lesen. Er verzog das Gesicht, während er die Seiten scannte.
»Abgründe!« Er schüttelte den Kopf. »Diese Rita hat einen an der Waffel!«
»Zwei Tote«, fasste Katinka zusammen. »Wenn ich einen Kinofilm aus dem Stoff machen sollte, würde ich ihn ›Wintermörder‹ nennen.«
»Den Titel gibt es schon.« Dante stippte ein Croissant in seinen Kaffee. »Alles steht und fällt mit den Büchercracks. Umso besser, dass Simone Mathieu es gestern nicht nach Paris geschafft hat. Sie ist die Einzige, die die Bücherwürmer hautnah erlebt hat. Wir müssen uns mit ihr treffen. Den Aspekt suchen, der für diesen Fall als Ankerpunkt dient.«
»Ankerpunkt?« Katinka runzelte die Stirn.
»Irgendwas habe ich gelernt drüben in Kalifornien.«
»Nicht genug, wie mir scheint.«
»Doch. Zu viel.« Dante guckte betreten in seine Tasse.
Sie schwiegen eine Weile. Katinka, weil sie den Eindruck hatte, Dante würde gerne loslegen und erzählen, warum er nach wenigen Monaten in den USA wieder in Deutschland angelandet war, und Dante, weil er sich nicht durchringen konnte, endlich mit der ganzen Geschichte herauszurücken.
»Schießen Sie los. Was bedeutet ›Ankerpunkt‹?«
»Sie können es auch ›Motiv‹ nennen. Nein, Motiv trifft es trotzdem nicht.« Er hielt Katinka seine Tasse hin. »Könnte ich …?«
»Sicher.« Sie goss ihm Kaffee nach.
»Also. Ein Motiv wäre der Grund, warum jemand verhindern muss, dass ein anderer weiterlebt. Korrekt?«
»Korrekt.«
»Ein Ankerpunkt ist etwas Tieferes. Eine Art Kraft, die dafür sorgt, dass ein Motiv erst entsteht.«
»Zum Beispiel?«
»Wir haben es doch mit einer Gruppe zu tun, richtig?«
»Allerdings.«
»Und wir nehmen an, die Morde sind in den psychologischen Untiefen dieser Gruppe verankert.«
»Morde? Mehrzahl?«
»Okay. Ein Mord und ein Todesfall. Egal. Passen Sie auf: Es gibt eine Konstellation in dem Literaturzirkel, die für eine Art Erdbeben gesorgt hat, und dieses Erdbeben hat jemanden aufgeschreckt.«
»Wiederum eine Person aus dem Zirkel.«
»Stimmt. Haben Sie übrigens eine neue Frisur?« Dante grinste keck.
Katinka versuchte vergeblich, ihr Haar glatt zu streichen. »Nur kein Neid.«
»Niemals. Also: Wer innerhalb dieser Gruppe ist der Anker?« Er zeigte mit fragender Miene auf die Ausdrucke.
Katinka ließ sich Dantes Theorie durch den Kopf gehen. So ganz hatte sie nicht verstanden, worauf es hinauslaufen sollte, aber ihr war durchaus klar, dass die Lösung des Falles mit den Bücherfreunden in Zusammenhang stehen musste. Margots Frust kam ihr in den Sinn. Wallis und Horsts Beziehung, die vor dem Zusammenbruch gestanden hatte. Der Freibeuter Artur und sein kleines Frauchen.
»Ich habe mich schon gefragt, ob Rita einen Eklat
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