Stille Gefahr #2
und dachte resigniert an den kommenden Tag.
Dann müsste sie zum verdammten Büro des Sheriffs und Anzeige erstatten. Auch wenn es wahrscheinlich reine Zeitverschwendung war, denn ihr glaubte ohnehin niemand. Entweder die Leute hielten sie für verrückt und selbstmordgefährdet – oder sie glaubten, sie sei verrückt und wolle Law etwas antun.
Immerhin würden sie zu Nielson gehen, dem Sheriff.
Damit hatte Law sich letztendlich einverstanden erklärt. Mit Nielson wurde es vielleicht nicht ganz so schlimm.
Hinter den Bäumen raschelte etwas. Ein Zweig knackte. Mit angehaltenem Atem riss Hope den Kopf hoch. Rasch stand sie auf und wäre beinahe ins Haus gerannt – okay, vielleicht kam sie doch nicht damit klar, allein draußen zu sitzen.
Dann taumelte ein Junge aus dem Wald.
Ein Junge … Er weinte und hatte in etwa ihre Größe.
Trotzdem war es nur ein Kind – dessen Gesicht ihr allerdings eigenartig bekannt vorkam.
Statt ins Haus zurückzuweichen, sprang sie die beiden Stufen der Veranda hinunter und lief über den Rasen auf ihn zu. »Hey, alles in Ordnung?«
Hinter ihr wurde die Tür aufgestoßen, doch das nahm Hope kaum zur Kenntnis.
Sie begegnete dem Blick des Jungen. Er hat eine Heidenangst … , schoss es ihr daraufhin sofort durch den Kopf.
Er packte sie am Oberarm. Sein Adamsapfel hüpfte auf und ab, als könnte er kaum sprechen, ohne anzufangen zu schluchzen.
»Da … da war jemand im Wald«, stieß er hervor, und seine Stimme brach, wie so oft bei pubertierenden Jungen. In seiner Panik verstärkte er unbewusst seinen Griff, als müsste er sich vergewissern, dass sie wirklich vor ihm stand.
Seine großen blauen Augen waren das auffälligste Merkmal in dem schmalen Gesicht, das ihr unglaublich bekannt vorkam.
»Jemand läuft da rum … im Wald«, flüsterte er. Ängstlich warf er einen Blick über die Schulter, bevor er sie wieder anschaute. Ganz plötzlich wich die Panik aus seinem Blick und er ließ ihren Arm los, um ihre Hand zu ergreifen. »Er hatte eine Pistole, und er war da hinten. Hier sind wir nicht sicher. Wir sollten reingehen und den Sheriff rufen oder so.«
Als der Junge sie mit sich zum Haus zog, bemerkte Hope Law, der mit gewohnt finsterer Miene auf der Veranda stand.
»Brody, großer Gott, dein Onkel sucht dich überall. Er ist krank vor Sorge«, schimpfte er.
»Law«, unterbrach sie ihn.
Doch er schenkte ihr keine Beachtung, sondern Law deutete hinter sich aufs Haus. »Rein mit dir, Brody – los, ruf ihn an.«
»Verdammt, Law, mach mal halblang. Der Junge ist total durch den Wind«, ging Hope dazwischen. Vorsichtig entwand sie sich Brodys Griff – der Bursche war zwar dünn wie eine Bohnenstange, aber verdammt stark. »Er sagt, er habe jemanden im Wald gesehen.«
Law kniff die Augen zusammen und musterte Brody. »Stimmt das?«
Der Junge fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund. »Er … eine Pistole. Er hatte eine Pistole.«
»Eine Pistole?« Lena erschien im Türrahmen. »Wie bitte?«
Ein düsterer Ausdruck trat auf Laws zerschundenes Gesicht, und er deutete mit dem Kopf zum Haus. »Geh rein, Brody. Ruf Remy an. Er durchforstet den gesamten Bezirk nach dir. Danach erzählst du mir von dem Kerl, den du gesehen haben willst.«
Während der Junge hineinlief, stand Hope wie vor den Kopf gestoßen da. »Remy?«, fragte sie leise und hoffte, dass man ihr die plötzliche Aufregung nicht anmerkte.
Offenbar war das auch nicht der Fall, denn Law starrte stirnrunzelnd in Richtung Wald. »Ja. Der Kleine ist Brody Jennings, Remys Neffe. Komm … wir sollten lieber reingehen.«
Als die Tür hinter ihnen zufiel, begriff sie, dass es eine Frage von Minuten war, bis Remy Jennings bei ihnen auftauchen würde.
Der Onkel des Jungen.
Hope musste schlucken.
Ihr Herz begann zu pochen.
Einen Moment lang überlegte sie, ob sie sich in ihr Zimmer einschließen und erst wieder herauskommen sollte, wenn die ganze Sache vorbei war.
Dann schloss sie die Augen und rief sich selbst zur Vernunft. Nein. Du rennst nicht mehr weg, schon vergessen?
Ein Teil von ihr wollte sich allerdings trotzdem noch in ihrem Zimmer verkriechen. Sie hatte begonnen, sich ihrer Vergangenheit zu stellen, und vor den Dingen, die ihr nun Angst machten, wollte sie auch nicht mehr weglaufen …
Doch Remy jagte ihr nicht einfach nur Angst ein. Deswegen war sie nicht sicher, ob die Sache bei ihm nicht anders lag.
Als sie in die lange Einfahrt bogen, die zu Law Reillys Haus führte, öffnete Hank die Augen.
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