Stille Gefahr #2
Unbekannte das Schweigen, indem er auf sie zutrat. Er schenkte ihr ein leutseliges, routiniertes Lächeln … das eines Politikers, dachte Hope. »Hallo. Ich bin Hank Jennings, Brodys Vater. Tut mir leid, wenn er Ihnen zur Last gefallen ist.«
Er machte Anstalten, ihr die Hand zu schütteln, doch sie hakte schnell die Daumen in die hinteren Hosentaschen, wobei sie darauf achtete, nicht mit den Nähten an der Jeans entlangzureiben. Stirnrunzelnd antwortete sie: »Der Junge ist total verängstigt – da kann von Last keine Rede sein, Mr Jennings.«
»Korrekt hieße es Bürgermeister Jennings«, kam es von Lena.
Bürgermeister . Hope lächelte innerlich. Warum nur überraschte sie das nicht? »Dann eben Bürgermeister Jennings. Aber er war uns wirklich keine Last.«
Er neigte den Kopf und sah dann zu seinem Sohn. »Komm, Brody. Lass uns nach Hause fahren. Wir haben noch einiges zu klären.«
Hope setzte an, etwas zu sagen, irgendetwas, doch dann schwieg sie und schaute zu dem Jungen hinüber. Er wirkte traurig, verängstigt … und einsam. Sie wusste nicht, was für Probleme er hatte, aber sie kannte das Gefühl, traurig, verängstigt und einsam zu sein. Wenn man von seiner Umwelt abgeschnitten war und es niemanden gab, der helfen konnte, der zuhörte.
»Vielleicht sollten Sie sich anhören, was passiert ist«, sagte Law hinter ihr mit ruhiger Stimme.
Doch der Bürgermeister schüttelte den Kopf. »Das kann er mir zu Hause erzählen. Unter vier Augen. Wir haben einiges zu besprechen, und er hat schon genug Ihrer Zeit in Anspruch genommen.«
Hope wich zurück. Aus den Augenwinkeln nahm sie Laws Gesichtsausdruck wahr, sah, wie er den Mund verzog. Das beruhigte sie – wenigstens war sie nicht die Einzige, der nicht gefiel, wie der Mann mit seinem verschreckten Kind umging.
Natürlich verlieh Law seiner Missbilligung Ausdruck. »Ja, sicher. Ihre persönlichen Angelegenheiten sind wichtiger als die Tatsache, dass Brody jemanden in der Nähe meines Grundstücks im Wald angetroffen hat und dass dieser Kerl eine Waffe hatte, mit der er auf Ihren Sohn gezielt hat. Nichts für ungut, Herr Bürgermeister, aber ich wage zu bezweifeln, ob Sie die richtigen Prioritäten setzen«, erwiderte er verächtlich.
»Mein Sohn …«
»Hank.« Remy stand auf und legte dem Jungen beschützerisch eine Hand auf die Schulter.
Hope starrte den Mann an, ohne überhaupt richtig mitzukriegen, was er als Nächstes sagte. Trotz ihrer Entschlossenheit, ihn weder anzuschauen noch an ihn zu denken, konnte sie einfach nicht den Blick von ihm abwenden.
Die beiden Männer taxierten einander. Brüder, begriff sie endlich. Sie mussten Brüder sein. Bei der Ähnlichkeit konnten sie nur verwandt sein. Doch während Remy Wärme ausstrahlte, wirkte sein Bruder kalt.
Hank sah zu Law, dann zu dem Jungen. »Also gut, Brody. Dann erzähl mal, was los ist.«
7
Beerdigung im Regen.
Warum nur musste es bei Beerdigungen immer regnen?
In der Ferne grollte Donner, und Blitze zuckten. Einige der Trauergäste warfen nervöse Blicke zum bewölkten Himmel, doch jene, die dem Grab am nächsten standen, achteten nicht auf das Wetter.
Sie waren hier, um sich zu verabschieden, und nicht einmal ein Wirbelsturm hätte sie davon abhalten können.
Nia stand am Grab, hielt eine weiße Rose in der Hand und starrte auf den hellrosa Sarg.
Neben sich hatte sie Bryson, Joelys Verlobten.
Er roch nach Whiskey, war jedoch nüchtern. Seine dunkelbraunen Augen spiegelten wider, wie sehr ihn die Trauer aufwühlte, sein Gesicht wirkte ausgemergelt.
Er hatte Joely geliebt, ganz sicher. Er war zwar nicht in der Lage gewesen, eins der letzten Dinge für Joely zu tun – an Nias Seite zu stehen, als sie die Leiche identifizieren musste –, aber Bryson hatte Joely geliebt.
So weh das alles auch tat, sie war froh, dass ihre Cousine ihn gehabt hatte, wenn auch nur für kurze Zeit. Wahrscheinlich war er heute zum ersten Mal, seit er von Joelys Tod erfahren hatte, nüchtern.
Irgendwo tief in ihrem Innern empfand sie Mitleid mit ihm.
Sie starrte auf den Sarg und versuchte, sich an schöne Momente zu erinnern, an ihr gemeinsames Gelächter, die guten Zeiten.
Doch sie hatte nur dieses letzte, schreckliche Bild vor Augen … Joely in der Leichenhalle, das Gesicht so übel zugerichtet, dass sie für Nia kaum wiederzuerkennen gewesen war.
Wer hat dir das nur angetan, Süße? Wer?
»So langsam kommen wir hier in Schwulitäten.«
Remy prustete los und hätte beinahe seinen Kaffee im
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