Stille Gefahr #2
vielleicht, mir wäre nicht klar, warum Sie so plötzlich Ihre Meinung geändert haben? Was hat sie getan? Sich Ihnen an den Hals geworfen? Ihnen erzählt, sie brauche Hilfe? Dass sie furchtbare Angst habe? Dasselbe hat sie mit diesem Mistkerl Reilly gemacht, wissen Sie. Sie hat ihn total um den Finger gewickelt – der Mann führt sich auf wie ihr persönlicher Sklave, hängt ihr die ganze Zeit am Rockzipfel. Mich wundert’s ja, dass er nie versucht hat, mich umzubringen – sie hätte ihn nur darum zu bitten brauchen und er wär dazu bereit gewesen. Nehmen Sie sich vor dem in Acht, der könnte Ihnen jederzeit einen Dolch in den Rücken jagen.«
Remy verdrehte die Augen. Oh Mann, was für ein Verwandlungskünstler. Der Typ wechselte von charmant zu garstig innerhalb von Sekunden, von seelenruhig zu wutentbrannt innerhalb eines Herzschlags.
»Wovor soll ich mich nun also in Acht nehmen? Vor Hope, die meinen Ruf ruiniert, oder vor Law, der mich umbringt, wenn sie es will? Und … warum noch mal sollten die beiden so etwas tun?«
»Glauben Sie vielleicht, das alles wäre ein schlechter Scherz?«, knurrte Carson.
»Nein, aber so langsam bekomme ich den Eindruck, dass Sie einer sind.«
»Sie können mich mal.« Wieder keuchte der Mann. Dann wurde er plötzlich ganz ruhig. »Halten Sie sich von meiner Frau fern, Jennings. Sie gehört mir, und ich werde sie zurückholen.«
Im nächsten Moment wurde die Verbindung unterbrochen.
9
Das erste Mal vergisst man nie …
Um drei Uhr morgens saß Hope aufrecht im Bett, hellwach, schaudernd und zitternd, allein mit ihren Erinnerungen.
Nein.
Das erste Mal vergaß man nicht.
Das erste Auto.
Den ersten Job.
Die erste große Liebe.
Die ersten Schläge.
Immer noch konnte sie die hässlichen Eindrücke aus ihrem Albtraum nicht ganz abschütteln, und wenn sie noch Kraft in den Gliedern gehabt hätte, dann wäre sie aus dem Bett gekrochen und unter die Dusche gegangen.
Unter dem brühend heißen Wasser hätte sie sich die Erinnerungen herunterschrubben und den noch immer spürbaren Schmerz von Prellungen, die längst verheilt waren, wegspülen können.
Alles nur wegen einer Frisur.
Die sie nie gehabt hatte.
Seltsam, was einen Albtraum verursachen konnte.
Am Abend vorher hatte sie Law die Haare geschnitten.
Und jetzt war ihr übel, und sie zitterte wegen eines schlechten Traums.
Zum allerersten Mal war sie von Joey geschlagen worden, weil sie erwähnt hatte, dass sie einen kürzeren Haarschnitt wollte. Er konnte es nicht leiden, wenn sie sich mehr als nur die Spitzen schneiden ließ. Manchmal, wenn bei ihr mehr als zwei Zentimeter Haar gefallen waren, hatte er tagelang kein Wort mehr mit ihr gesprochen.
Ihr Haar war praktisch immer schon lang gewesen, alles drumherum – das Gewicht, der ständige Aufwand – ihr aber irgendwann zu viel geworden. Einmal, ein einziges Mal nur, hatte sie daraufhin erwähnt, sie wolle eine kürzere Frisur ausprobieren.
Das war der Augenblick gewesen, als er sie zum ersten Mal geschlagen hatte.
Oh, und hinterher hatte es ihm leidgetan.
Das tat es ihnen immer.
Als ihr ein heiserer, erstickter Schluchzer entwich, schlug sie sich die Hand vor den Mund.
Dabei blieb sie allerdings mit den Fingern in einer Strähne hängen, und aus irgendeinem Grund wurde ihr in diesem Moment schon allein davon kotzübel, wie sich ihr Haar anfühlte. Zitternd kletterte sie aus dem Bett und ging zu ihrer Kommode. Nein, sie war zu schwach, zu unsicher auf den Beinen, um zu duschen, aber die Haare …
Verflucht, wenn eine Schere greifbar gewesen wäre, dann hätte sie sie sich vielleicht sofort abgeschnitten.
Aber vorerst … fand sie ein Haargummi, flocht sich die Haare zu einem dicken, schweren Strang und warf es nach hinten.
Ein Strang – eine Kette.
Großer Gott.
Selbst ihre Glieder, ihr eigenes Haar fühlte sich an wie Ketten.
Wie Fesseln.
»Bist du sicher, dass du bereit dazu bist?«, fragte Law, als er Hope seine Schlüssel reichte.
»Ja«, antwortete sie und nahm das Bund. Ihr Auto pfiff auf dem letzten Loch, doch sie hatte kein Geld für eine Reparatur. Aber sie musste hier raus, und zwar dringend, bevor sie noch anfing zu schreien oder Schlimmeres. Bevor sie sich das Haar mit einem Fleischermesser absäbelte – so wie sie zitterte, könnte sie sich womöglich noch selbst dabei verletzen, und dann würde ihr niemand glauben, dass es keine Absicht gewesen war.
»Na gut. Lena fällt auch schon die Decke auf den Kopf, also …«
»Hör mal,
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