Stille mein Sehnen
„Ach Grace …“
Die Hand an seiner Stirn zuckte und erwiderte den Druck der seinen. Luca riss den Kopf hoch und starrte in zwei sanfte dunkle Augen. Der Blick war vollkommen klar, und das Lächeln galt tatsächlich ihm.
Dann war der Moment vorbei. Grace wandte erneut den Kopf dem Park vor dem Fenster zu und starrte in eine Welt, in die Luca ihr nicht folgen konnte.
Zwei weitere Stunden blieb er bei ihr, streichelte ihre Hand und erzählte von Faith, dem Club und dass Aidan ihm eine zweite Chance gab.
Sie kehrte nicht zurück.
Es fiel ihm unendlich schwer, sie zu verlassen, aber es war bereits Mittag. Irgendwann musste er schlafen und sein Magen knurrte unangenehm. Er küsste seine Schwester auf die Stirn und verließ das triste Zimmer.
„Bis Mittwoch, Mr. Jones.“
„Bis Mittwoch, Siena.“
Der schmachtende Blick, den Siena ihm hinterherwarf und den er sonst genoss, interessierte ihn heute nicht. All sein Denken beschränkte sich auf die junge Frau da oben, in dem kleinen Zimmer. Sie hatte ihn angelächelt! Gab es noch Hoffnung? Vielleicht würde sie eines Tages die Wahrheit akzeptieren und zu ihm zurückkehren?
Faith war vor Hunger schlecht, als sie langsam aus einem tiefen, traumlosen Schlaf erwachte.
Da war erneut dieses Klopfen. „Ja?“
Mit einem strahlenden Lächeln streckte Bill den Kopf in ihr Zimmer.
„Na, du Schlafmütze. Ich habe Frühstück für dich gemacht.“
Er stieß die Tür auf und kam mit einem beladenen Tablett zu ihr. Es gab Toast, Eier und Speck, Frischkäse, Marmelade, Kaffee und frisch gepressten Orangensaft. Er stellte das Frühstückstablett aufs Bett und setzte sich neben sie.
„Du warst heute Morgen sehr erschöpft. Wie hast du geschlafen?“
Gierig machte sich Faith über die Eier her. „Gut“, entgegnete sie mit vollem Mund.
Schweigend beobachtete Bill sie. Den argwöhnischen Blick ignorierend, stopfte sie heißhungrig das Essen in sich hinein. Sachte legte er ihr eine Hand auf den Arm.
„Wenn du schlingst, wirst du dich übergeben. Wann hast du das letzte Mal gegessen?“
„Gestern, bevor ich zum Vorstellungsge…“ Sie stockte, als Bill resigniert seufzte.
„Faith, was ist los mit dir? Du hast deinen Körper doch sonst nicht vernachlässigt? Als ich dich heute Morgen auszog, ist mir fast das Herz stehen geblieben. Du bist viel zu dünn. Warum mir das gestern nicht aufgefallen ist, begreife ich nicht.“
Faith grinste mit vollem Mund. „Ich glaube, da hattest du was anderes im Sinn.“
„Lenk nicht ab. Du bist nicht mehr nur dünn, du bist mager, und als Arzt …“
„Nun lass nicht gleich den Spießer raushängen. Ich hab es vergessen. Okay? Als du in meinem Zimmer aufgetaucht bist und anschließend hier …“
Bills Wangen wurden rot, und er räusperte sich. „Erzähl mir endlich, was in New York passiert ist. Und ich will wissen, wie das mit dir und Luca weitergeht.“
Faith verdrückte den letzten Toast, zog die Beine heran und umschlang die Schienbeine mit den Armen. „Was soll ich groß erzählen? Der Club ist weg. Ich habe alles verkaufen müssen. Mit dem letzten Geld bin ich zurück nach London geflogen. Ich dachte, hier würde ich schneller Arbeit finden, doch es stellte sich heraus, dass alle Bar-Jobs entweder keine Bar, sondern eine Tabledancestange, oder den Chef inklusive hatten. Ausgerechnet bei Aidan stimmte alles.“
„Und?“
„Ich hatte keine andere Wahl.“ Mit vor Scham geröteten Wangen sah sie Bill an. „Ich bin völlig pleite. Hättest du mich nicht rausgeholt …“
„Und deshalb hast du nichts gegessen?“ Er wurde laut. „Faith, du warst gestern drei Stunden hier und hast es nicht für nötig befunden, mich nach einer Mahlzeit zu fragen? Sag mal, spinnst du jetzt total?“
Sie antwortete nicht. Wie hypnotisiert starrte sie ihn an, versuchte, Luft in ihre Lungen zu bekommen und das Zittern zu unterbinden. Furcht einflößend war ihr Bill niemals erschienen. Bis zu diesem Moment! Sie wusste nicht, wie lange sie ihn anstarrte oder was er auf ihrem Gesicht las. Plötzlich wurde sein Blick weicher, und der Ärger verschwand wie ein Strohfeuer. Seine Schultern fielen herab, er senkte resigniert den Kopf und seufzte.
„Es ist halb acht. Wenn du noch duschen willst, solltest du dich beeilen.“
Sie starrte immer noch zur Tür, als er lange weg war. Die Traurigkeit in seinen Augen schnürte ihr die Kehle zu. Sie konnte nicht bei ihm bleiben. Ihre Freundschaft würde kaputtgehen.
Faith duschte, zog sich an und
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