Stille Nacht: Ein Fall für Hubertus Hummel (German Edition)
antwortete Hubertus überrascht. Vor lauter Kummer hatte er den Fall fast vergessen. »Gibt es denn etwas Neues?«
»Keine konkrete Spur«, meinte Müller, nahm die vom Schneetreiben nasse Brille ab und putzte die Gläser. »Wir hatten einen Verdächtigen, doch der hat ein sicheres Alibi. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.«
»Dold?«
Müller sah ihn streng an: »Herr Hummel, ich habe Ihnen eben schon auf den Anrufbeantworter gesprochen und um einen Rückruf gebeten, aber da waren Sie offenbar bereits außer Haus. Jetzt sage ich es Ihnen direkt: Wir schätzen es überhaupt nicht, wenn Sie auf eigene Faust recherchieren. Sie sind Zeuge in einem Mordfall – und ich möchte Sie bitten, das auch Ihrem Freund Riesle klarzumachen. Ich verstehe durchaus, dass er gerne eine Sensationsgeschichte hätte, aber hier geht es um Wichtigeres!«
Müller wusste also Bescheid. Kein Wunder.
»Wir wollten ja schon Kontakt zu Ihnen aufnehmen, waren uns aber nicht sicher und wollten keinen Unschuldigen belasten«, sagte Hubertus leise und fühlte sich wie ein ertappter Schüler. »Und Herr Dold scheint ja wirklich unschuldig zu sein.«
»Halten Sie sich aus der Sache einfach heraus, Herr Hummel.«
Hubertus versuchte das Thema zu wechseln: »Wie verbringen Sie denn Heiligabend, Herr Hauptkommissar?«
Müller sah ihn durchdringend an und meinte dann: »Meine Frau und ich fahren nachher zum Adventssingen nach Rottweil. Ich wünsche Ihnen ein frohes Fest – und beherzigen Sie bitte meinen Rat.«
»Frohes Fest«, entgegnete Hubertus matt und lief weiter.
Auf den nächsten achtzig Metern traf er dreimal Bekannte – drei Pärchen, darunter sein Direktor in Begleitung seiner Gattin. Normalerweise kam er mit dem Rektor gut aus, heute jedoch war Hubertus kurz angebunden.
Er wendete und lief zu seinem Stammmetzger, um den Schinken abzuholen, den er geordert hatte. Ein großes Stück würde es dieses Jahr nicht sein: Weihnachten zu zweit mit Martina. In seiner Not hatte er sogar Klaus gefragt, ob er mit ihnen feiern wollte. Doch der hatte dankend abgelehnt. Die Lehrerin …
Mit klopfendem Herzen kam er nach Hause. Sein erster Weg führte ihn zum Anrufbeantworter. Der blinkte. Der Digitalanzeige war zu entnehmen, dass zwei Anrufe eingegangen waren. Wenigstens einer von Elke?
Der erste war von Kommissar Müller. Kurz angebunden bat er um einen baldigen Rückruf.
Die zweite Nachricht: »He, Martina, ruf mich doch mal zurück. Wir gehen heute Abend doch noch weg, oder?« Eine junge männliche Stimme.
Na, toll. Noch nicht mal mit Namen gemeldet hatte sich dieser Typ.
An Heiligabend ausgehen … Da blieb man doch zu Hause, begab sich allenfalls gegen Mitternacht zum traditionellen Kuhreihen auf den Latschariplatz.
Hubertus zog sich seine Moonboots aus, mit denen er in der Stadt gewesen war und die jetzt den Boden volltropften.
Also gut, eine Chance hatte sie noch. Er wählte wieder Elkes Nummer.
Das erste Freizeichen.
Das zweite.
Das dritte.
»Hummel«, meldete sich eine weibliche Stimme.
Hummel! Nicht Riegger.
Hubertus’ Herz pochte wie wild.
»Elke?«, fragte Hubertus. Eigentlich war er gar nicht auf sie vorbereitet.
»Ja?«, fragte sie zurück. Etwas genervt, wie es Hubertus schien. Wahrscheinlich ärgerte sie sich, dass sie sich aus purer Gewohnheit mit Hummel gemeldet hatte.
»Elke, möchtest du … äh … also … feiere doch heute mit uns«, stotterte Hubertus.
Wieder Pause.
Elke fasste sich. »Hubertus, das möchte ich nicht.«
In Hummel regte sich der Ärger. »Feierst du bei Bröse? Oder bei Schulz?«, fragte er – und biss sich gleich darauf auf die Zunge.
»Entschuldigung. Aber Martina braucht dich. Und, äh, ich auch.«
»Hubertus, es geht dich eigentlich nichts an. Aber ich sage es dir trotzdem: Ich feiere bei meinen Eltern. Meinem Vater geht es nicht gut.«
Hubertus war mit der Situation komplett überfordert. Vor lauter Nervosität vergaß er, zu fragen, was denn seinem Nochschwiegervater fehle, und lief mit dem Telefon in der Wohnung auf und ab.
»Das tut mir leid, Elke. Das tut mir sehr leid. Außerdem wollte ich mich noch einmal für die Sache in der Rietstraße entschuldigen.«
Auch Elke schien es nicht gut zu gehen.
Sie hatte Trost nötig – zumindest glaubte Hubertus das herauszuhören.
Zwar weigerte sie sich kategorisch, den Heiligabend mit Nochmann und Tochter zu verbringen, aber zehn Minuten später hatte Hubertus das angestrebte Essen am zweiten Weihnachtsfeiertag klargemacht.
Dutzende
Weitere Kostenlose Bücher