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Stille Seele (German Edition)

Stille Seele (German Edition)

Titel: Stille Seele (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Lastella
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ein normaler Mensch zu benehmen. Für deine Mutter, deine Geschwister, für mich und für dich selbst!“ Das Gesicht seines Vaters war unnatürlich blass, als er bedrückt hinzufügte. „Ich liebe dich, Jacob, wir alle, aber du musst lernen, für deine Entscheidungen geradezustehen. Und ich will nie wieder aus deinem Mund hören, dass es dir egal wäre, wenn dich eine Kugel trifft!“
    „Du willst nie etwas hören, was aus meinem Mund kommt, oder hast du mir jemals zugehört? Ich meine, warum auch, ich bin ja nicht einmal dein Kind, oder?“
    „Das ist nicht fair!“
    „Das sehe ich auch so!“ Wütend drehte Jakob sich um und verließ türknallend das Wohnzimmer und wenig später das Haus. Die letzten Tage verbrachte er bei Connor, bevor sie am 16. August [i] nach Deutschland ausgeflogen wurden und das Zuhause nicht nur räumlich in den Hintergrund rückte.
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    2. November 2003, Hamburg, Deutschland
     
    Jakob stieg aus der S-Bahn und tauchte eher unfreiwillig in den hektischen Strom aus Besuchern und Fahrgästen ein, als er von einer Traube Menschen über die Rolltreppe Richtung Wandelhalle geschoben wurde. Er hatte die letzten freien Tage ihrer knapp dreimonatigen Zwischenstationierung in Ramstein genutzt, um nach Hamburg zu reisen. Er orientierte sich kurz und lief weiter in Richtung Ausgang. Ein kleiner Vorplatz, dann kam die vierspurige Straße und dahinter die Fußgängerzone. Jakob blieb einen Moment stehen und rückte seinen Rucksack zurecht. Eine kleine Gruppe Punks hatte es sich an einem der Pfeiler des überdachten Vorplatzes bequem gemacht und teilte ihr spärliches Mittagessen mit einer Handvoll Hunde, die besser beieinander schienen als sie selbst. Jakob nahm all das auf und konzentrierte sich auf jede Kleinigkeit. Nichts davon kam ihm bekannt vor und das, wo er selbst einmal hier gelebt hatte. Zugegeben, er war fast noch ein Baby gewesen, aber er wünschte sich, er könnte sich zumindest an irgendetwas erinnern. Langsam ging er weiter, überquerte die Straße und schlenderte wenig später an bunten Läden vorbei, in denen geschäftiges Treiben herrschte.
    Der Zettel in seiner Jackentasche knisterte, als sich seine Hände d arum schlossen, um ihn zum wiederholten Male an diesem Tag herauszuholen und die eigene unleserliche Schrift darauf zu kontrollieren. Die Adresse war noch immer da. Jakob hatte während seines Besuchs zuhause in den Sachen seiner Mutter danach gesucht.
    Jakob folgte dem Verlauf der Alster, bis er an die Binnenalster g elangte, und lief dann an deren Ufer entlang. Ruderboote und kleine Segler fuhren über das Wasser und erweckten den Anschein, die Stadt würde direkt am Meer liegen. Von den Erzählungen seiner Mutter wusste Jakob, dass das Wasser nicht einmal brusthoch war. Lächelnd schüttelte er den Kopf und versuchte den Grund auszumachen, aber die braune Trübung machte dies unmöglich. Schwäne schwammen an ihm vorbei, betrachteten ihn aufmerksam und zogen dann weiter, als sie erkannten, dass er nicht vorhatte sie, wie so viele andere Touristen, mit Brot zu versorgen.
    Jakob pfiff anerkennend durch die Zähne. Ein weiteres Mal übe rprüfte er die Adresse auf seinem Zettel mit der auf dem bronzenen Schild an dem ausladenden Gartentor. Er wusste, dass seine Großmutter reich war, das zeigten ihre Geschenke zu Weihnachten und zu den Geburtstagen, die jedes Jahr mit der Luftpost in Montana ankamen. Er wusste es aus den Erzählungen seiner Mutter, aber trotzdem hatte Jakob das hier nicht erwartet. Das Haus entsprach mehr einer Villa und war von einem parkähnlichen Anwesen umgeben, dass sich in sanften Hügeln bis ans Wasser erstreckte. Riesige Trauerweiden und Eichen säumten die Auffahrt und den Weg zum eigenen Bootssteg. Jakob klingelte und erwartete fast, dass sich ein Bediensteter melden würde, als eine feste Stimme über die Gegensprechanlage erklang. Es war das einzige, was er von seiner Großmutter kannte – ihre Stimme. Auch wenn er sich seit Jahren darum drückte, sich aktiv an den Telefongesprächen zu beteiligen, erkannte er die resolute Stimme wieder.
    „Sie sind sicher vom Paketdienst. Sie sollen es einfach in die Gar age stellen.“ Jakob hörte, wie seine Großmutter entnervt, aber laut und betont langsam wiederholte. „Haben Sie verstanden? Ich habe Ihnen schon zweimal eine Abstellerlaubnis

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