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Stille Seele (German Edition)

Stille Seele (German Edition)

Titel: Stille Seele (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Lastella
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knapp zu und lief dann zu einem der Humvees hinüber, um den Abzug zu koordinieren.
    Jakob hätte seine Ansicht gerne geteilt, aber die Zweifel hallten in seinem Inneren nach und Jakobs Überzeugungen schrumpften mit jeder Durchsuchung, mit jeder durch Folter und Angst falsch erhalt enen Information, die sie in den folgenden Wochen erzwangen und die nie zu einem wirklichen Fund führte.
    Was sie taten, fühlte sich falsch an. Es widerstrebte Jakob und de nnoch spürte er, wie es immer mehr zur Gewohnheit wurde. Wie er abstumpfte gegen das Flehen, Weinen und Bitten der Menschen. Er sah den Hass der Bevölkerung, den sie zu verantworten hatten, sah die Verletzten und die Toten auf beiden Seiten, die von den Verantwortlichen totgeschwiegen wurden und distanzierte sich von diesen Bildern. Er spürte, wie er sich veränderte. Er war reizbar, seine Schlafstörungen wurden immer erheblicher und er hatte das leere Gefühl, nicht mehr lachen zu können, wenn es angebracht gewesen wäre. Es gab bessere und schlechtere Tage, aber die Veränderung war unaufhaltsam. In eine Richtung, die falsch war und ihn zu einem schlechten Menschen werden ließ.
     
    Es war der 17. Juli 2003, als Jakob das erste Mal nach Amerika zurückkehrte. Drei Wochen Urlaub, die er erst in Atlantic City mit seinen Kameraden und dann zuhause verbrachte. Die zehn Tage in Atlantic City waren genau das gewesen, was er sich erhofft hatte. Mädchen, Partys, die die ansonsten schwierigen Nächte überdauerten und Tage, die er schlafend am Pool oder wieder feiernd verbrachte. Es war wie der kräftige Sog einer Droge, nachdem man zu lange abstinent gewesen war. Die Lichter, die Eindrücke, all das ließ Tage und Nächte, Gesichter und Plätze zu einer einzigen bunten Masse verschmelzen, die all die negativen Gefühle aufsaugte und absorbierte. Jakob hatte nicht einmal die Zeit, sich über sein Verhalten Gedanken zu machen, er lebte einfach für den Moment, den Rausch, und er liebte dieses Gefühl, am Leben zu sein. Es ließ ihn nicht zur Ruhe kommen und das war gut, denn damit hatte Jakob ziemliche Probleme. Er wollte nicht zur Ruhe kommen, weil es bedeutete, sich auf die Eindrücke und sich selbst zu konzentrieren. Sich mit dem Erlebten auseinanderzusetzten, und das war schmerzhaft und überfordernd.
    Rückblickend war das vielleicht das Problem, das bei seinem B esuch zuhause das Fass zum Überlaufen brachte.
    Jeder in seiner Familie war peinlich darauf bedacht, ihm Ruhe zu gönnen und ihm das Leben so angenehm wie möglich zu machen. Die Erwartungshaltung seiner Familie und die eigene Überforderung füh rten schließlich zum Eklat.
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    8. August 2003, Jabehill, Haus der Atwoods
     
    „Kommst du später vorbei?“ Jakob quetschte sich das Telefon zw ischen Schulter und Kinn und sortierte die Zeitschriften auf dem Board neben der Tür alphabetisch.
    „Ich weiß nicht!“ Die Stimme von Carolin klang abweisend. Wenn Jakob ehrlich war, hatte er angenommen, dass sie sich bereits trennen würde, bevor er nach Fort Benning gegangen war. Zu seinem Ersta unen hielt sie aber selbst jetzt noch an ihrer Beziehung fest. Eine Beziehung, die ihm zwar wie eine Lüge vorkam, aber trotzdem während seines Einsatzes einer der wenigen Bezugspunkte für ihn gewesen war. Jakob machte sich keine Illusionen, was Carolins Liebesleben anging, solange er nicht vor Ort war. Sie war noch nie ein Kind von Traurigkeit gewesen. Manchmal fragte er sich ernsthaft, wieso sie beide noch an dieser verqueren Form von Beziehung festhielten. Er kannte seine Gründe, ihre waren ihm schleierhaft.
    „Was soll das heißen, du weißt es nicht?“ Jakob ließ die Zeitschri ften los und warf einen Blick über seine Schulter. Sein Vater hatte die Veränderung, den unterschwelligen Stress in seiner Stimme wahrgenommen und blickte ihn fragend an. Mit einigen zügigen Schritten verließ Jakob das Wohnzimmer, schloss die Tür und lehnte sich im Flur an die Wand.
    „Das soll heißen, dass ich nicht weiß, ob das mit uns nach wie vor eine gute Idee ist! Warum wir überhaupt noch zusammen sind?“
    Für Jakob war die Antwort auf die Frage des Warums einfach, wenn auch wenig befriedigend. Es gab niemanden anderes, er hatte kaum Möglichkeiten, jemanden kennenzulernen und er wusste, was ihn bei Carolin erwartete. Er brauchte diese einzige Möglichkeit, überhaupt Nähe zuzulassen, auch wenn es ihm schwer fiel. „Du hast einen anderen?“ Jakob stieß zischend die Luft aus

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