Stille Seele (German Edition)
bin.“
Verständnislos schüttelte Eva Hoffmann den Kopf. Ein besorgter Ausdruck huschte über ihr, trotz des Alters, hübsches Gesicht. „Was ist los, Jakob?“
Ihre Stimme erinnerte Jakob an die seiner Mutter. Der gleiche li ebevolle Klang, dieses Mütterliche, das ihm so fehlte, seitdem er sich aus ihm selbst nicht verständlichen Gründen so weit von seinen Eltern distanziert hatte. Er atmete prustend ein und stieß Sekunden später kraftvoll die Luft wieder aus. „Ich habe mich ziemlich mit ihnen gestritten!“ Er verzog zerknirscht das Gesicht.
„Ein Streit ist schnell behoben!“ Sanft tätschelte sie ihm die Hand und nickte ihm aufmunternd zu. In diesem Moment hatte Jakob das Gefühl, seiner Mutter gegenüber zu sitzen, und doch wusste er instin ktiv, dass so ein Gespräch zurzeit niemals möglich wäre. Zu viel schien zwischen ihnen zu stehen und obwohl er das Bedürfnis hatte, sie und seinen Dad von sich zu stoßen, sobald er in ihrer Nähe war, wünschte er sich gleichzeitig dieses Verhältnis mit einer solchen Intensität zurück, dass es körperlich weh tat. Unsicher rutschte er auf seinem Sessel herum und knabberte an seinem Daumennagel. Ich laufe echt neben der Spur.
„Es ist nicht nur ein einfacher Streit. Ich bin nicht wie Paul auf ein College gegangen, sondern zur Army!“ Er hörte, wie sie geräuschvoll die Luft einsog, aber bei einem Blick in ihr Gesicht wirkte sie noch immer entspannt und warmherzig. „Sie wollten das nicht und seitdem ist es noch schwieriger als vorher!“ Er zuckte hilflos mit den Schu ltern. „Ich weiß nicht mehr, wie ich ihnen begegnen soll.“ Unsicher blinzelte er seine Großmutter an. Es war merkwürdig. Sie war ihm völlig fremd und gleichzeitig ein Teil seiner Familie. Jemand, bei dem er das Gefühl hatte, aussprechen zu können, was er in Bezug auf seine Eltern fühlte.
Eva Hoffmann nahm einen tiefen Schluck Tee, bevor sie vorsichtig anfing zu sprechen. Ganz offensichtlich hatte sie Angst, eine unsich tbare Grenze zu überschreiten. „Deine Mutter hat mir erzählt, dass es nicht ganz einfach war mit dir. Sie hatte große Angst, dich zu verlieren. Weißt du, es ist nie leicht, seine Kinder ziehen zu lassen!“
Ein trauriges Lächeln huschte über ihre Lippen. In ihrem Gesicht war deutlich zu lesen, wie sehr ihr der Weggang ihrer Tochter und der fehlende Kontakt zu ihren Enkeln zugesetzt hatten. Er hatte nie einen Gedanken daran verschwendet, wie es ihr damit ging, dass er sich strikt geweigert hatte, den Kontakt zuzulassen. Für ihn war sie nur ein nerviges Stück einer Vergangenheit, die er nicht kannte und die ihn anders machte als seine Freunde. Ihre feine, aber warme Stimme holte ihn zurück in das mit Stuck verzierte Wohnzimmer.
„Versuch sie zu verstehen, die Army bedeutet nicht gerade eine Garantie, dass sie dich in einem Stück zurückbekommt!“ Mit einem entschuldigenden Lächeln fügte sie hinzu: „Ich muss mich ja selbst zusammenreißen, dich nicht deswegen übers Knie zu legen!“ Ein leises Lachen ließ die altersbedingten Falten neben ihrem Mund und den Augen noch deutlicher zutage treten.
„Ich weiß.“ Selbst er hatte mittlerweile begriffen, dass es nicht g erade ein Geniestreich gewesen war, sich für einen so langen Zeitraum zu verpflichten. „Aber ich musste einfach raus von zuhause.“ Jakob sah sie entschuldigend an und deutete dann auf ein Bild, das neben einer antiken Uhr auf der Kommode stand. „Ist das Mama?“
Eva Hoffmann nickte und reichte es ihm herüber. „Sie war so eine Hübsche. Alle Jungs waren verrückt nach ihr. Dein Vater hat das Rennen gemacht, und er war wirklich eine gute Wahl.“ Sie seufzte. „Es war wirklich schlimm, als er verstarb. Ich war froh, als Jackson ihr das Lächeln zurückgab, und er ist euch immer ein so guter Vater gewesen. Aber manchmal wünschte ich, sie hätte sich für einen Deu tschen entschieden, dann hätte ich sie und euch bei mir.“ Sie lächelte mit Tränen in den Augen. „Du siehst, das mit dem Muttersein hört nie auf!“
Jakob nickte und erwiderte ihr Lächeln, während Eva Hoffmann a nfing, von seiner Mutter zu erzählen und von Jakobs Kinderjahren in Hamburg, bevor sie nach Amerika ausgewandert waren. Mit ihren Worten kehrten einzelne Fragmente von Erinnerungen zurück, aber sie blieben vage und undeutlich.
Gut zwei Stunden später verabschiedete Jakob sich von seiner Großmutter und die Umarmung am Gartentor fühlte sich vertraut an.
„Hier, nimm!“ Eva Hoffmann
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