Stille Seele (German Edition)
nicht. Wir haben alles überprüft und keinen Anhaltspunkt gefunden, woran es liegen könnte. Aber wir haben immer wieder ganze Funkaussetzer. Das ist gerade hier in Kandahar ein echtes Problem.“
„Ich kann euch alleine lassen?“ Tyrel nickte Jakob zu und entfernte sich in Richtung Kantine.
Jakob blickte ihm ärgerlich hinterher und spürte, wie sich sein Magen beleidigt zusammenzog. „Echt toll!“
„Wie bitte?“
„Nichts!“ Jakob schüttelte den Kopf und wandte sich wieder seinem Gegenüber zu. Vorsichtig schielte er auf das Namensschild auf dessen Brust. Weber, richtig! Ich bin echt im Arsch. Kann mir nicht mal mehr einen Namen merken. Seufzend rieb er sich die Augen.
„War ein anstrengender Tag heute?“
Jakob nickte.
„Ich habe gehört, dass es hier unten ziemlich krass zugeht?“
„Krass?“ Jakob verzog fragend das Gesicht.
„Ja, krass! Hmm …“ Weber dachte nach. „Gefährlich und extrem!“
„Ach so, ja! Ist nicht ganz so wie bei euch im Norden. Ich habe gehört, dass es bei euch wirklich besser wird?“
Weber nickte. „Die Hilfe läuft endlich an. Langsam, aber es passiert etwas. Die Bevölkerung arbeitet mit uns zusammen. Sie fangen an, uns zu vertrauen! Es gibt immer andere und das wird sich auch nicht ändern, aber der Großteil findet unseren Einsatz gut und sieht ihn als Hilfe an! Es bleibt auch für uns gefährlich, aber es geht bergauf.“ Er nickte zufrieden. „Wie ist es hier?“ Er machte eine unbestimmte Handbewegung, die die Basis und das Umland einschloss.
„Kann man hier nicht gerade behaupten!“ Jakob verzog das Gesicht und zuckte mit den Schultern. „Die eine Hälfte bekämpft uns und die andere Hälfte hat es kaum über den Winter geschafft! Ich kann es verstehen, wenn man dann sauer wird! Auf alles und jeden!“ Er seufzte. „Also, hier ist die gesamte Technik drin. Vielleicht könntet ihr einen Blick darauf werfen und findet endlich diesen Fehler. Ist ein ziemliches Scheißgefühl, wenn du unter afghanischem Beschuss stehst und den Funkkontakt zur Basis verlierst. Dafür haben wir einen regen Verbrauch von Leuchtraketen!“
Das Nicken von Weber zeigte, dass dieser den Ernst der Lage ve rstanden hatte.
4. April 2005, ca. 16 Kilometer außerhalb vom Stützpunkt Kand ahar Airfield, Afghanistan
Jakob spürte die Räder des Humvees über die Unebenheiten der Schotterstraße rumpeln. Ein altersschwaches Auto kämpfte sich neben ihnen die Anhöhe hinauf und hustete dabei wie ein krankes Tier. Etwas entfernt plärrte ein Radio und durch das offene Fenster eines der Wohngebäude konnte Jakob aufgebrachte Stimmen hören. Auch wenn er kein Wort Paschtu verstand, konnte man anhand des Tonfalls deutlich erkennen, dass es sich um ein Streitgespräch handelte. Er holte tief Luft und seufzte leise, wobei ihn der Staub, den die Räder des Humvee aufwirbelten und der durch das halb geöffnete Fenster in den Innenraum drang, in der Kehle kitzelte.
„Hey Atwood, träum nicht!“ Connor stieß ihn unsanft an. Dann grinste er und fügte etwas sanfter hinzu: „Patrouille zu fahren bede utet, dass du die Augen offenhalten sollst und nicht, dass du deinen Schönheitsschlaf nachholen darfst, Prinzessin!“ Er zwinkerte Jakob zu und klopfte ihm auf die Schulter. Sein Gesicht war warm und freundlich. Er hatte strahlend blaue Augen. Leichte Fältchen lagen trotz seines jungen Alters darum und zeigten, wie gerne und oft er lächelte. Seine Stimme hatte einen ruhigen, entspannten Klang. In den vergangenen Jahren waren sie zu sehr guten Freunden geworden. Vielleicht war das der natürliche Gang der Dinge, wenn man sein Zelt, die Toilette und nahezu vierundzwanzig Stunden am Tag miteinander teilt.
Jakob verzog zerknirscht das Gesicht, nickte entschuldigend und richtete seinen Blick auf die Gehwege und Gebäude, an denen sie vorbeifuhren, während der Humvee sich durch den zähfließenden Verkehr schlängelte. Jakob wusste, warum Connor ihn ermahnt hatte. Sie befanden sich auf dem Abschnitt ihrer Patrouille, der die meisten Gefahren barg. Die Gebäude standen eng und die Straßen waren um diese Uhrzeit immer verstopft. Sie waren einem Hinterhalt nicht nur schutzlos ausgeliefert, eine Flucht war ebenfalls schwierig bis unmö glich. Es machte sie alle unruhig. Jakob hätte gerne behauptet, dass er bei seinen Einsätzen fürs Vaterland heldenhaft gewesen wäre. Heldenhaft wie die Helden aus
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