Stille Seele (German Edition)
Meinung. Wir haben nie viel über sie gesprochen, aber ganz ehrlich, Jay? Ich kann sie verstehen, wenn sie sauer auf dich sind. Wenn du dich damals schon genauso rücksichtslos verhalten hast wie jetzt!“ Er machte eine eindeutige Handbewegung, die zeigte, dass die schwierige Situation zwischen Jakob und seinen Eltern kein Wunder war.
„Was weißt du schon?“
„‘ne Menge, und das weißt du auch. Bist echt ein verbohrter Mis tkerl. Erzähl ihnen bloß nie, dass du da warst und sie nicht besucht hast, sonst kannst du die Geschichte echt abhaken!“
Jakob brummte und legte sich rücklings auf sein Bett. Gegen den Lärm eines startenden Hubschraubers murmelte er: „Ich habe einfach Angst, wieder alles kaputt zu machen!“
„Was denn kaputt machen?“ Connor stützte seinen Arm auf und warf ihm einen fragenden Blick zu.
„Wir schreiben uns!“
„Ihr schreibt euch!“
Jakob grinste unterdrückt, als er den amüsiert-sarkastischen Ton in Connors Stimme hörte, der anzeigte, dass er längst nicht mehr ärge rlich war. „Wir schreiben uns, und zwar ganz friedlich. Das ist schon was für uns und ich wüsste im Moment einfach nicht, wie ich ihnen begegnen sollte, also!“
„Das hat nicht zufällig etwas mit deinem letzten Besuch bei ihnen zu tun?“
Jakob musste zugeben, dass Connor verdammt gut im Beobachten war. „Ich will nicht darüber reden. Und ich will einfach nichts überstürzen!“
„Verstehen muss ich dich nicht!“ Mit einem lauten Knall flog die leere Cola-Flasche begleitet von Connors Lachen direkt über Jakobs Kopf gegen die Zeltwand. „Bist ‘n komischer Kauz, aber es ist trot zdem gut, dass du wieder da bist. Tyrel zieht mich ständig beim Pokern ab. Du müsstest mir so um die fünfhundert Dollar zurückgewinnen, wenn’s geht!“
„Fünfhundert?“ Jakob kratzte sich am Kopf. „Du stehst mit fün fhundert bei ihm in der Kreide?“
Connor nickte und wirkte entspannt.
„Es sollte dir etwas ausmachen!“
„Warum? Du gewinnst es doch zurück, ehe wir hier rauskommen und es um den Austausch von echten Scheinen geht!“ Er grinste Jakob siegessicher an und duckte sich, als die Flasche am Vorhang vorbei zurückgeflogen kam.
27. Februar 2005, Kandahar, Afghanistan
Es schien, als wäre es selbst den Aufständigen zu kalt, um Ärger zu machen. Nachts fielen die Temperaturen auf bis zu minus zwölf Grad. Schnee bedeckte weite Teile des Landes und machte ganze Provinzen unpassierbar. Trotzdem fuhren sie weiter ihre Patrouillen, versuchten, die harten Klimabedingungen und das, was sie der Bevölkerung abverlangten, zu ignorieren. An diesem Morgen fuhren sie die westlichen Vororte von Kandahar ab. Die Straßen waren schwer passierbar und die Humvees krochen im Schritttempo über die fest gefahrene Schneedecke. Kaputte Panzer standen halb von Schnee bedeckt am Straßenrand und waren hier wohl das Äquivalent zu den mit Schnee bedeckten Tannen in Montana.
„Scheiße, ist das kalt!“ Connor rieb sich mit den Händen über die Oberschenkel und stieß mehrmals hintereinander kleine Dunstwolken in die Luft.
Wheathers, Torres und Tyrel nickten nur, während Jakob sich die Arme als Bestätigung um den eigenen Körper legte.
Torres hielt ihren Humvee an. „Jungs! Das müsst ihr euch ang ucken!“
Jakob drehte sich halb auf seinem Sitzplatz um und sah, wie rund ein Dutzend Kinder auf der Straße auf sie zukamen. Ihre Kleidung hielt die eisige Kälte nicht ab und ihre Gesichter waren bläulich ve rfroren. Sie machten keine Anstalten, vor den riesigen Fahrzeugen zurück zu weichen.
Torres öffnete langsam seine Tür und stieg aus. Jakob sah, wie T yrel ihm eilig folgte und anfing, auf ihn einzureden.
„Torres, steig wieder ein. Das könnte ein Hinterhalt sein!“
Aber Torres schüttelte störrisch den Kopf. „Ich habe selbst Kinder, Sarge. Du verstehst das nicht. Siehst du nicht, dass sie Hunger haben? Sie frieren!“ Torres machte einen halbherzigen Schritt auf die kleine Gruppe verwahrlost aussehender Kinder zu.
Tyrel kratzte sich am Kopf und befahl Clark, aus dem zweiten Humvee herüberzukommen. „Du wirst übersetzen!“
Mittlerweile waren sie alle abgestiegen, und während sie die Gegend absicherten, gingen Tyrel und Clark zu der Gruppe von Torres und den Kinder herüber.
„Frag sie, wo ihre Eltern sind!“
Clark übersetzte in Dari und schüttelte dann betroffen
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