Stille Seele (German Edition)
schon sehen!“ Wheathers Augen blitzten vor Vergnügen. Mit einigen kräftigen Hammerschlägen verband er die etwa einen Meter fünfzig hohe Leiterkonstruktion mit dem Planen beschichteten Brett und nickte dann zufrieden. Vorsichtig trat er an ein kleines Mä dchen heran, das sie neugierig beobachtet hatte. Vorwitzige dunkle Locken fielen vor fast schwarze Augen in einem dürren, aber hübschen Gesicht, das von einem viel zu mageren Körper getragen wurde. Jakob sah, wie sie sich etwas versteifte, als Wheathers sie auf die selbst gebaute Rutsche setzte. Wheathers ließ sie los und nur Sekunden später landete sie mit einem vergnügten Quietschen auf dem Boden. Jakob lachte und Wheathers stimmte ein. Das hier war richtig und es tat nicht nur den Kindern und der Frau gut, sondern ihnen allen. Sie alle hatten so einen Moment bitter nötig gehabt und auch wenn niemals jemand außer ihnen davon wissen würde, empfand Jakob in diesem Moment mehr Glück und Zufriedenheit als bei einer offiziellen Auszeichnung.
2. April 2005, Kandahar Airfield, Afghanistan
„Jacob, du sollst zu Tyrel kommen!“ Connor ließ sich auf sein Bett fallen und stieß seufzend die Luft aus.
„Was will er denn?“ Jakob blieb noch einen Augenblick liegen, bevor er sich stöhnend aufsetzte. „Wir sind erst vor ‘ner halben Stunde reingekommen. Ich will mich nur noch ausruhen!“
„Er sagte, du sollst übersetzen. Irgendwelche deutschen Fernmelder sind da, um diese Funksache endlich in Ordnung zu bringen! Du kannst das echt?“
„Was kann ich echt?“
„Du schläfst schon, oder?“ Connor hatte sich ebenfalls hingesetzt. Die Decke, die ihre Betten voneinander trennte, war hochgeklappt und erlaubte Connor, ihm mit der flachen Hand unsanft gegen die Stirn zu schlagen. „Deutsch sprechen?“
Jakob verzog das Gesicht zu einem schiefen Grinsen. „Hast du doch in Landstuhl gesehen!“
„Habe ich nicht. Bei der Übung mit der Bundeswehr war ich Tyrel zugeordnet. Wäre ich nicht zu müde, würde ich ja glatt mitkommen und mir das mal anhören, Jakob!“ Er bemühte sich, den Namen mö glichst deutsch auszusprechen.
Wütend schmiss Jakob ihm seinen Pullover gegen die Brust. „Du weißt, wie mein Name ausgesprochen wird. Jakob sagt höchstens meine Mutter und selbst das nervt schon. Du darfst das mit Sicherheit nicht, also lass es!“
„In Ordnung, Prinzessin!“
Jakob drehte sich mit einem resignierten Brummen weg und verließ das Zelt. „Dir ist doch nicht mehr zu helfen!“
„Gut, dass du da bist, Atwood!“ Tyrel stand vor den Kommunik ationscontainern. „Das sind drei deutsche Fernmelder. Sie sind aus Kabul hierhergekommen, um uns mit unseren Funkproblemen zu helfen. Ich dachte, es wäre vielleicht einfacher, wenn du übersetzt, als wenn wir es auf Englisch versuchen!“
Jakob versuchte sich seinen Unmut nicht anmerken zu lassen und schüttelte mit einem leichten Lächeln die Hände der drei Soldaten. Es war nicht mehr wie früher, wo er seine deutsche Herkunft aus Prinzip verleugnet hatte. Es war seine Art gewesen, sich beim Heranwachsen von seinen Eltern zu distanzieren. Außerdem hatte er nicht auffallen wollen, und eine Mutter, die auf Deutsch mit einem spricht, egal wo man sich befindet, hatte dabei nicht wirklich geholfen. Mittlerweile war das Verhältnis zu seinen Wurzeln anders. Es störte ihn nicht mehr, nur gefiel es ihm nicht, dass ihn sein sprachliches Können heute den Feierabend kostete. Er seufzte und konzentrierte sich wieder auf die drei Deutschen. Ihre Uniformen unterschieden sich zwar von denen der US-Army, aber auch auf ihren Oberarmen prangte das Abze ichen der ISAF. „Herzlich willkommen!“
„Hallo, mein Name ist Weber. Das sind Jakobeit und Müller. Ihr habt also Probleme mit eurem Funk?“
Jakob nickte und versuchte, sich trotz der Müdigkeit auf die Worte seines Gegenübers zu konzentrieren.
„Soll ich langsamer sprechen?“
Wieder nickte Jakob. „Ich verstehe euch ganz gut, aber nur, wenn ihr nicht zu schnell sprecht!“ Die Worte verließen seinen Mund etwas abgehackt und der starke amerikanische Akzent ließ sich nicht daraus vertreiben. Seine Mutter hatte sich immer gewünscht, dass er mehr sprechen würde, damit genau das verhindert würde, aber er hatte sich wie bei so vielen Dingen standhaft geweigert. Jakob seufzte.
„Ich werde mich bemühen. Also, wo liegt das Problem?“
„Wir wissen es
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