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Stille Seele (German Edition)

Stille Seele (German Edition)

Titel: Stille Seele (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Lastella
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kleinen Stadt extrem schwierig sein würde, seine Vergangenheit für sich zu behalten. Er würde einen Job brauchen, hatte aber keine Papiere, geschweige denn eine Arbeitsgenehmigung. Wie sollte er solche Dinge erklären? Also begann er entgegen seinem ersten Impuls schwach zu protestieren. „Ich denke nicht, dass das eine gute Idee ist.“
    Stan hielt kurz inne und zog fragend eine Augenbraue hoch. Er schien es nicht gewöhnt zu sein, dass man sich seinem wirbelstur mähnlichen Temperament entzog.
    Entschuldigend zog Jakob die Schultern hoch. „Ich brauche dri ngend eine Unterkunft, einen Job und Geld. Ich glaube kaum, dass ich das in eurer kleinen Stadt finden werde. Ich habe keine Zeit zu verlieren.“ Und das stimmte, musste Jakob erschrocken feststellen. Sein gesamtes Vermögen bestand aus den übrig gebliebenen elf Dollar und ein paar Cent, die zusammengeknüllt in seiner Hosentasche lagen. Er hatte kaum noch saubere Wäsche und sein Magen zog sich bereits schmerzhaft vor Hunger zusammen, weil er sich seit Tagen nicht erlaubte, seine letzten Reserven für etwas so Profanes wie Essen anzugreifen.
    Stan lachte und stieg ein. Dabei machte er eine wegwerfende Han dbewegung. „Das findet sich schon. Ich glaube, William drüben im Pub braucht noch Hilfe. Ist nichts Großartiges, aber wenn du keine großen Ansprüche stellst.“ Er zuckte mit den Schultern. „Heute findet bei uns ein großes Fest statt. Ich lade dich auf was Gegrilltes ein, wenn du mich danach nach Hause fährst! Da wird immer ziemlich viel getrunken!“ Er zwinkerte Jakob zweideutig zu und ein weiteres Lachen ließ seinen massigen Körper erbeben.
    Jakob überlegte einen kurzen Moment, aber die Aussicht auf eine warme Mahlzeit und einen gratis Schlafplatz für diese Nacht ließ seinen Widerstand schließlich zusammenfallen. Wenn Stanley zu viel trank, konnte er es bestimmt wagen, ein paar Stunden in dessen W agen zu schlafen, ohne gesehen zu werden. Ergeben vergrub er seine Hände tief in den Ärmeln seines Pullovers und zwängte sich neben Stan in die Fahrerkabine des Pickups. Der Wagen war groß und hatte mit Sicherheit eine Stange Geld gekostet, aber im Vergleich zu Stans Gestalt wirkte der Fahrerraum winzig – wie zu heiß gewaschen. Jakob konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. Er unterdrückte das leise Glucksen, das in seiner Kehle hochstieg, und konzentrierte sich darauf, die ersten Eindrücke der Stadt in sich aufzunehmen. Hübsche weiße und hellblaue Holzhäuser standen ordentlich aufgereiht inmitten der waldigen Landschaft. Als sie den Stadtkern erreichten, fuhren sie an der öffentlichen Bücherei und dem Bildungs- und Medizinzentrum vorbei. Zur Linken lag das Büro des Sheriffs und nur wenig später hielt Stan vor einem gemütlich wirkenden Pub.
    „Komm erst einmal mit rein. Ich stelle dich William vor und wir sehen mal, was wir für dich tun können, bevor wir uns ins Getümmel stürzen. Du hast doch ein Work-and-Travel-Visum?“ Seine Frage war ganz offensichtlich nur rhetorischer Natur gewesen, aber als Jakob betreten zu Boden sah, blieb Stan irritiert stehen. „Hast du nicht?“ Ein ungläubiger Ausdruck lag auf seinem Gesicht. „Sonst irgendwelche Papiere?“
    Jetzt war er bis hierher gekommen, nur damit sein ganzer Schwindel aufflog, weil er zu blöd gewesen war, sich rechtzeitig eine Geschichte zurechtzulegen. Er spürte, wie er errötete, und überlegte fieberhaft, was er sagen könnte, um die Sache doch noch glimpflich für ihn ausgehen zu lassen.
    Leise murmelte er: „Sie haben mir vor etwa zwei Wochen den Rucksack geklaut. Kurz hinter Winnipeg.“ Er schielte zu Stan hinüber, um dessen Reaktion auf seine Geschichte zu sehen. Er schien sie zu schlucken, also fuhr Jakob etwas selbstsicherer fort. „Ich habe nachts geschlafen, an so einem Busbahnhof. Ich war nur kurz eingenickt und irgend so ein Idiot hat ihn mitgehen lassen. Ich habe es erst gemerkt, als es schon zu spät war!“
    „Hast du es bei der Polizei gemeldet? Du musst die amerikanische Botschaft kontaktieren, um deine Papiere neu zu beantragen. Ich könnte Mitch fragen, was man da tun kann.“ Mit einem mitleidigen Blick auf Jakob fuhr er fort: „Mitch ist unser Sherriff hier. Ein feiner Kerl. Er kann dir sicher helfen!“
    Jakob stöhnte innerlich auf. „Ich denke nicht, dass das nötig ist. Ich werde in der nächstgrößeren Stadt versuchen, meine Papiere neu zu beantragen, sobald ich etwas Geld zusammen habe. Keine Umstände

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