Stille Seele (German Edition)
schließlich erwachte, war es bereits nach zwölf. Er rappelte sich auf, zog sich an und verließ wenig später sein Versteck mit einer prall gefüllten Tasche, um W äsche zu waschen. Außerdem wollte er mit dem ersten Abschlag seines Gehalts etwas kaufen und sich ein wenig in dem Städtchen umsehen. Es gelang ihm, ungesehen hinter den Gärten der Häuser die Hauptstraße zu erreichen, wo er sich nach rechts wandte und in Richtung Zentrum schlenderte.
„Wohin bist du denn unterwegs?“
Jakob verlangsamte sein Tempo und drehte sich im Gehen halb zu Julie um, die hinter ihm aufgetaucht war.
„Noch genauso freundlich wie eh und je!“ Seine Stimme hatte e twas Neckendes. Er fühlte sich besser, und das würden ihm auch ihr verschlossenes Gesicht und ihr mürrische Art nicht kaputtmachen.
Sie blitzte ihn wütend an und schob ihre Unterlippe vor. „Kann ja nicht jeder so ekelhaft gute Laune haben, oder?“
„Morgenmuffel oder schlechter Tag?“ Jakob lächelte sie unbeirrt an und erreichte tatsächlich, dass sich Julies Gesichtszüge etwas entspannten.
Sie seufzte leise. „Beides, würde ich sagen. Ich bin wohl eher ein Nachtmensch!“
Jakob lachte in sich hinein. „Ja, da hast du wahrscheinlich recht!“
Sie ging nicht darauf ein. „Du siehst besser aus. Ausgeschlafen! Wie ist das Zimmer?“
Für einen Moment sah er sie verständnislos an, bevor er schaltete, sich von ihr wegdrehte und auf den Boden vor sich starrte. Mit dem Blick auf die großflächigen Gehwegsteine gerichtet murmelte er: „Ja, ist ganz okay.“ Er war noch nie gut gewesen im Lügen. Das Sicherste war, ihr dabei nicht ins Gesicht zu sehen. Jakob spürte, wie er dennoch errötete, und stieß ärgerlich über sich selbst die Luft aus seinen Lungen. Eine Weile liefen sie schweigend nebeneinander her und Jakob fragte sich, wieso sie ihn vom ersten Moment an abgelehnt hatte und vor allem, wieso sie trotz ihrer unmissverständlich vorgebrachten Ablehnung den Kontakt zu ihm suchte. Denn das tat sie. Sie hätte hinter ihm bleiben, die Straßenseite wechseln oder einfach an ihm vorbeigehen können, aber sie hatte ihn angesprochen und ihr Tempo seinem angeglichen. Am meisten irritierte ihn aber seine eigene Reaktion darauf. Es gefiel ihm, und das sollte es nicht. Es war idiotisch, unangebracht und würde nirgendwo hinführen. Wenn er geschickt war, gelang es ihm, die Menschen hier für ein paar Wochen zu täuschen, bevor er gezwungen sein würde, weiterzuziehen. Mit Glück würde es reichen, um etwas zur Ruhe zu kommen. Er schüttelte gedankenverloren den Kopf und zuckte leicht zusammen, als Julie gegen seine prall gefüllte Tasche klopfte.
„Also, was hast du vor?“ Sie steckte sich ein Kaugummi in den Mund und begann genüsslich darauf herumzukauen. Dann hielt sie ihm die Packung entgegen. „Auch eins?“
Er nickte, griff zu und ließ es in seinem Mund verschwinden. War das vielleicht ihre Art, Brüderschaft zu trinken? So freundlich wie gerade war sie bis jetzt noch nie zu ihm gewesen. Jakob blinzelte zu ihr hinüber, aber ihr Gesichtsausdruck war unergründlich. Ihre Augen waren halb geschlossen und sie reckte genießerisch ihre Nase in die warmen Sonnenstrahlen. Er mochte es, wie sich ihr Gesicht dabei entspannte und wie sich ein sanftes Lächeln um ihre vollen Lippen legte.
„Hat‘s dir die Sprache verschlagen oder was?“ Da war er wieder, der angespannte Ausdruck auf ihrem Gesicht, und ihre Stimme troff erneut vor Zynismus. Jakob zuckte kaum merklich zusammen und kramte eilig in seinem Kopf nach der Frage. „Äh, ich gehe Wäsche waschen!“ Er kratzte sich am Kopf. „Ihr habt hier doch einen Wasc hsalon, oder?“
Sie nickte und äugte misstrauisch zu ihm herüber. „Das Motel hat doch auch Waschmaschinen?“
Jakob biss sich auf die Lippen, fing sich aber schnell wieder. „Die haben zurzeit Probleme mit dem Wasser!“ Er lächelte entschuldigend.
„Im Gemeindezentrum sind welche! Ich gehe auch hin!“
„Du musst auch Wäsche waschen?“
Sie verdrehte genervt die Augen. „Sehe ich so aus? Nein, ich muss ins Zentrum. Ich mache da einen Ferienkurs für Kinder!“
„Du ... machst einen Ferienkurs für Kinder?“ Er lächelte in sich hinein und rückte seine Cap zurecht.
Sie nickte und schaute ihn herausfordernd an. „Ist das etwa ein Pr oblem für dich?“
„Nein, ich meine ja nur!“
„Was?“ Julie war stehen geblieben und Jakob sah, wie sich ihr Körper straffte. Gleich haut sie mir eine runter. Er konnte
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