Stille Seele (German Edition)
einem vernünftigen Bett zu schlafen. Jakob hatte eine schöne Strecke gefunden, die ihn beim Joggen quer durch ein kleines Wäldchen, vorbei an einem See und in einem kleinen Bogen zurück zu Stans Haus führte und die er nutzte, wann immer er Ablenkung brauchte. Ansonsten genoss er die Stille und die Freundlichkeit der Menschen hier oben und spürte, wie die während seiner Zeit in Afghanistan tief verinnerlichte Anspannung langsam von ihm abfiel. Er kam zur Ruhe und das nicht, weil es von ihm erwartet wurde, sondern weil die Menschen und dieser Ort dies in ihm auslösten. Die Gespräche mit Stan und William taten ihm gut und die Nähe zu Julie und ihre verbale Reibung aneinander waren ein fester Bestandteil seines Lebens geworden, ohne dass er das vor sich oder irgendjemand anderem zugegeben hätte. Ganz offiziell betrachtete er sie nach wie vor als notwendiges Übel und sie tat es ebenso mit ihm.
Sie ist echt ‘ne Plage, aber eine hübsche.
„Was grinst du denn so debil?“
Jakobs Grinsen wurde noch breiter. „Pass auf, sonst bist du aus Versehen noch freundlich zu mir!“
Julie schnaubte kurz auf und verließ nach einem weiteren erfolglosen, zornesfunkelnden Blick auf ihn die Bar. Jakob hörte sie im Lagerraum poltern und musste sich ein Lachen verkneifen, das sie nur noch saurer gemacht hätte. Je nach Tagesform fand er es entweder amüsant oder auch verletzend, dass er sie ohne besondere Anstrengung bis aufs Blut reizen konnte. Verstanden, wieso dies so war, hatte er nicht, aber jetzt gerade prallte ihre unterschwellige Aggressivität erfolglos an ihm ab.
„Dein Vater wollte gleich mit uns sprechen!“
Julies Kopf erschien in der Tür. Mürrisch pustete sie eine ihrer dunklen Locken aus dem Gesicht. „Es gibt kein uns. Er hat schon mit mir gesprochen. Ich weiß also Bescheid! Er müsste gleich hier sein, um noch mit dir zu reden.“
Jakob hob abwehrend die Arme. „Ich weiß ja nicht, worum es geht, aber es scheint deine Laune nicht erheblich zu verbessern.“
„Ich könnte sagen, du wärst ein Genie, aber das wäre gelogen!“ Ohne Rücksicht drängte sie sich an ihm vorbei und streifte ihn dabei empfindlich mit einer Kiste Softdrinks.
„Hey Mann, mach das nicht nochmal.“
„Sonst was?“
Jakobs Gesichtszüge verhärteten sich und seine Laune schwang u rplötzlich um. Nur mit Mühe unterdrückte er den Impuls, körperlich zu werden. „Meinetwegen zick mich an. Das macht mir nichts. Ist irgendwie sogar niedlich!“ Er lächelte sie zuckersüß an, obwohl ihm nicht danach zumute war, und entlockte Julie damit ein aufgebrachtes Prusten. „Aber nimm gefälligst Rücksicht. Ich habe dir nie körperlich wehgetan und es wäre schön, wenn du dich ebenfalls zurückhalten könntest!“
„Oh je, die Prinzessin hat sich weh getan!“ Julie lächelte spöttisch in seine Richtung, während Jakob bei ihren Worten das Blut aus dem Gesicht wich. Sein Blick verdunkelte sich und er biss schmerzhaft die Zähne aufeinander. „Hör auf!“ Seine Stimme klang das erste Mal tief getroffen, fast schon aggressiv, und obwohl es ihm im gleichen A ugenblick leid tat, sah er, wie Julie irritiert zurückzuckte. Sie wandte sich zur Kaffeemaschine um und programmierte sie auf einen großen Milchkaffee. Dabei murmelte sie „Tut mir leid“, nicht ohne einen leicht sarkastischen Unterton dazuzumischen.
Jakob nickte und wandte sich stumm ab. Das Wort „Prinzessin“ hallte in seinem Kopf nach, nur war es Connors neckende Stimme, die wie ein giftiger Virus durch sein Inneres kroch. Jakob hielt sich die Ohren zu, ließ Julie stehen und stolperte in den Waschraum. Er öffn ete den Kaltwasserhahn und ließ sich wie betäubt Wasser über Gesicht und Hände laufen.
„Jakob!“
Jakob schreckte hoch und fragte sich, wie lange er schon da stand, ohne seine Umwelt wahrzunehmen. Seine Rückenmuskulatur schmerzte unangenehm von der vorneübergebeugten Haltung, was vermuten ließ, dass er schon eine ganze Weile so verharrte. Es klopfte an der Tür und Williams Kopf erschien im Türspalt.
„Jakob, ich habe dich schon überall gesucht. Warum antwortest du denn nicht?“ Er schüttelte verständnislos den Kopf, während Jakob sich aufrichtete und sich langsam zu ihm umdrehte.
„Du wolltest mit mir sprechen?“
William nickte, betrat das Bad und schloss die Tür hinter sich. „Ja, genau, wir haben zwei Getränkeautomaten weiter oben in den Bergen stehen, wo die Waldarbeiter ihre nördlichsten Siedlungen haben. Die müssen
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