Stille Seele (German Edition)
Auszeit. Machst du nie ‘ne Pause oder so?“
„Nicht, solange es so voll ist, aber wenn du so weitermachst, kannst du bald ‘ne ganz lange Pause machen!“
Seufzend stand Jakob auf, hob ächzend zwei volle Kisten Sof tdrinks an und schob sich mit einem grimmigen Ausdruck an ihr vorbei durch die Tür. Er mied den Blickkontakt, um keinen weiteren Wortwechsel zu provozieren und versuchte, nicht an den körperlichen Schmerz und die Leere zu denken. Mittlerweile war es nicht nur die Gewissheit, dass er diesen Job brauchte, sondern auch der Ehrgeiz, Julie nicht die Genugtuung seines Scheiterns zu gönnen, die ihn durchhalten ließen. Er lächelte, wenn es angebracht war und brachte seine Schicht rum, ohne jedoch wirklich viel davon mitzubekommen. Es war, als stünde er in einem Nebel, der ab und an zu völligem Schwarz wechselte.
Um halb vier morgens waren Julie und Jakob endlich allein. Wi lliam kam und schaute sich zufrieden im Gastraum um. Jakob drehte sich entnervt von ihm weg und rollte mit den Augen. Was an diesem Chaos machte ihn so verdammt zufrieden? Angestrengt schluckte Jakob die aufwallenden Aggressionen hinunter und verschluckte sich fast daran. Er hustete kurz auf und machte sich dann daran, den Boden zu reinigen. William räumte die Tische ab und Julie säuberte den Tresen. Sie arbeiteten stumm nebeneinander her, bis Jakob den Raum verließ, um die Waschräume zu säubern.
Lustlos wischte er die Waschbecken und die Böden der Toiletten. Die Arbeit passt wenigstens zu meiner Stimmung, verdammte Scheiße noch mal. Genervt zog er den Wischmopp über den Boden und hielt sich dabei unsicher an der Wand fest, um nicht umzufallen. Genauso fühlte es sich an. Als würde er jeden Moment zusammenbrechen. Der leere Fleck, der eigentlich sein Magen war, trieb ihm die Magensäfte den Rachen empor. Jakob ließ den Wischmopp fallen und erreichte gerade noch rechtzeitig die Toilette, bevor er sich erbrach. Zitternd ließ er sich neben der Kloschüssel nieder. Sein Mageninhalt hatte aus Cola und Galle bestanden. Eine eklige Mischung, die ihm in den Schleimhäuten brannte. Ihm wollte nicht einfallen, woher er die Kraft nehmen sollte, wieder aufzustehen und seine Arbeit zu Ende zu bri ngen. Stöhnend dachte er an Julies verächtlichen Gesichtsausdruck und musste zugeben, dass sie am Ende recht behalten hatte. Gequält schloss er seine Augen und lehnte seinen Kopf an die Wand der Toilette. Die Fliesen unter ihm fühlten sich unangenehm kalt an und er fröstelte, während ein leichter Schweißfilm seine Haut überzog. Meine Güte, ich bin echt im Arsch!
Jakob hörte Schritte näherkommen und rappelte sich mühsam auf.
„Ist alles in Ordnung bei dir?“ Es war William, der mit einem besorgten Blick die Toilette betrat. „Ich habe etwas poltern gehört!“
Unwillig nickte Jakob mit dem Kopf. „Es geht schon!“ Er stolperte an William vorbei zu seinem Wischmopp und machte sich daran, weiter sauberzumachen.
„Für heute reicht es! Die Toiletten sind sauber genug.“ Er klopfte Jakob freundschaftlich auf die Schulter und musterte ihn besorgt, während Jakob auf den Boden starrte, ohne seinen Blick zu erwidern. Sanft fügte er hinzu: „Mach für heute Schluss! Wir essen immer noch ‘ne Kleinigkeit, wenn wir hier fertig sind. Hast gut durchgehalten heute Abend! Bleibst du noch?“
Jakob zuckte mit den Schultern und starrte auf den Boden.
„Julie macht uns ‘ne Kleinigkeit!“
Mit einem müden, resignierten Lächeln nickte Jakob und folgte William in den Barraum.
Zufrieden rief William in die kleine Küche hinter dem Tresen. „Julie, Jakob isst mit uns! Hau ein paar Eier mehr in die Pfanne!“
Jakob fragte sich ernsthaft, woher William die Kraft nahm, noch so ausgeruht zu wirken. Auch wenn er während der Abendschicht ausg esetzt hatte, war er seit vormittags im Einsatz.
Julies dunkler Lockenschopf erschien in der Durchreiche. Sie fu nkelte ihren Vater wütend an, verschwand aber wieder, ohne ein Wort zu sagen, und dem Gepolter nach zu urteilen war sie zwar sauer, fügte sich aber in ihr Schicksal, ihn auch noch während des Essens ertragen zu müssen. Er schlurfte hinter William her, der völlig ausgeruht wirkte und drei Teller und Besteck zu einem der Tische trug. Schwer ließ Jakob sich auf den Stuhl in der Ecke fallen und stützte seinen Kopf auf.
William musterte ihn eingehend. „Glaub mir, es wird besser. Gib dir ein bisschen Zeit. Dein Körper muss sich darauf umstellen, nachts zu arbeiten, dann wird
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