Stille Sehnsucht
trauen, als er begriff, was ihn so irritierte. Er musste Halluzinationen haben.
„Lachst du etwa?“, fragte Niko total verdattert, weil er damit nie im Leben gerechnet hätte.
„Sehe ich so aus?“, konterte Tyler trocken und drehte sich zu ihm.
Niko schüttelte den Kopf. „Nicht äußerlich.“
„Wie soll man denn sonst lachen?“
„Mit den Augen, du Blödmann. Ich glaub' das nicht. Erst torpedierst du meine Fickpläne, dann entführst du mich, kettest mich in deinem Auto fest und jetzt lachst du mich auch noch aus?“
„Ja, tue ich.“
Tyler fing an zu grinsen und Nikos Ärger schmolz, wie das sprichwörtliche Eis in der Sonne. Ein echtes Grinsen. Hatte er Tyler zuvor eigentlich je grinsen oder lächeln sehen? Niko konnte sich nicht daran erinnern. Wie auch, entweder waren sie im Bett oder sonst wo miteinander beschäftigt gewesen, oder hatten sich bei ihren ständigen Streits angeschrien.
„Dafür verklag' ich dich.“
„Weil ich lache?“
„Nein!“ Niko fluchte unflätig und ruckelte mit seinem gefesselten Handgelenk. „Deswegen. Aber vorher bringe ich dich um, ich schwöre es.“
Tyler sah ihn amüsiert an. „Ich habe noch nie jemand gekannt, der so oft mit dem Gedanken spielt, mich um die Ecke zu bringen, wie du. Von ein paar Gangstern mal abgesehen, aber die zählen für mich nicht. Im Übrigen finde ich es nicht im Geringsten zum Lachen, meinen eigenen Freund aus einem Club zu zerren, wo er gerade plant, mich zu betrügen, um mir eins reinzuwürgen. Und jetzt schnall' dich bitte an.“
Niko tat es und sah beleidigt nach vorne. „Kennst du den Spruch, wer im Glashaus sitzt, sollte besser nicht mit Steinen werfen?“
„Ja.“
„Dann halt dich mit Schuldzuweisungen zurück, denn wer hier wen betrogen hat, dürfte klar sein.“
„Niko...“
„Du bist ein Arsch.“
„Das ist wohl wahr. Ich habe meinen Ruf als Raubein schließlich nicht umsonst“, gab Tyler zu und startete das Auto, um sich in den Nachtverkehr einzufädeln, der wie zäher Honig über die Straßen glitt. „Grace ist ein guter Cop und meine Partnerin, nicht mehr. Ich weiß genau, welche Gerüchte über uns kursieren, aber das kümmert mich nicht. Ich hatte eigentlich gedacht, dass du nicht so oberflächlich urteilst.“
Tylers Tadel war gerechtfertigt und das ärgerte Niko mehr, als er zugeben wollte. „Denkst du ernsthaft, dass ich dir das abkaufe?“
„Du bist klug genug, Wahrheit und Lüge voneinander zu unterscheiden. Wenn ich sage, es gibt keinen anderen, dann gibt es keinen anderen. Ich bin schwul, Niko, nicht bi. Ich habe Grace umarmt, weil ich sie mag und das auf Gegenseitigkeit beruht.“
Niko reagierte nicht auf Tylers Erklärung, die viel zu glaubwürdig klang, um gelogen zu sein, weil er einfach nicht zugeben wollte, dass er unrecht hatte. Dass er dank seines Dickschädels wieder zu vorschnell geurteilt hatte. Für den Rest ihres Rückweges zum Hotel, schwieg Tyler, und nachdem er geparkt hatte, zog er den Schlüssel für die Handschellen aus der Tasche und ließ Niko frei.
„Es bleibt deine Entscheidung, ob du mir glaubst oder zwei tratschenden Streifenbeamten, die nichts Besseres zu tun haben, als sich über mein angebliches Liebesleben zu unterhalten.“ Nach den Worten beugte sich Tyler über ihn hinweg, um die Beifahrertür zu öffnen. „Gute Nacht.“
Der Rauswurf war eindeutig, dennoch zögerte Niko, weil es etwas gab, für das er eine Erklärung haben wollte. „Warum hast du im Club zu Tom gesagt, dass er seinen Freund verlassen soll?“
„Eric und Tom sind keine Freunde“, antwortete Tyler und Niko runzelte fragend die Stirn.
„Wie meinst du das? Tom hat doch gesagt, dass er ihn liebt und...“
„Sie sind verheiratet.“
Niko sah Tyler überrascht an. „Und trotzdem sagst du Tom, dass er Eric verlassen soll?“
„Eric ist nicht gut für Tom“, antwortete Tyler und sah aus dem Fenster. „Und behaupte jetzt nicht, dass du das nicht gemerkt hast. Deine Gänsehaut war offensichtlich.“
„Schon, aber...“
„Eric hat Probleme und er löst sie zu oft mit Fäusten.“
Niko wurde eiskalt. „Willst du mir damit sagen, Eric verprügelt Tom?“
„Nein. Alles, was ich mit Sicherheit weiß, ist, dass ich Tom in der Grundausbildung grün und blau geschlagen auf der Straße gefunden und ins Krankenhaus gebracht habe. Und ich weiß, dass Eric an diesen Verletzungen schuld war. Sein Blick war mehr als eindeutig, als er ein paar Stunden später im Krankenhaus auftauchte. Aber
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