Stille Sehnsucht

„Ab und zu. Im Traum. Ich bin nicht verrückt.“
    „Das habe ich auch nicht gedacht.“ Colin setzte sich auf die Couch und begann die Tüte auszupacken, die er mitgebracht hatte. „Ich rede manchmal mit Gwen. Meist, wenn ich ihr von Kilian erzählen will.“
    „Du findest das nicht komisch?“, fragte Niko leise, der eigentlich mit einer anderen Reaktion gerechnet hatte.
    Colin schüttelte den Kopf und sah ihn verwundert an. „Nein, warum sollte ich?“
    „Na ja... normal ist so was eher nicht, oder?“
    „Wer will das beurteilen?“, fragte Colin und hielt ihm einen Kaffeebecher hin. „Von Starbucks.“
    „Starbucks?“ Niko seufzte genießerisch und nahm den Kaffee an, bevor er sich Colin gegenüber auf die zweite Couch setzte und zusah, wie der einen Stapel Sandwichs auspackte. „Ich habe eigentlich keinen Hunger.“
    Colin schmunzelte nur und stand auf, um einen Teller aus der Küchenzeile zu holen, die zum Zimmer gehörte. Niko hielt sich an seinem Kaffee fest, während Colin die Sandwichs auf dem Teller verteilte und ihn dann fragend ansah.
    „Hat Tyler dich gestern Nacht gefunden?“
    „Ja.“
    Colin nahm sich ein Sandwich und lehnte sich auf der Couch zurück. „Und?“
    „Ich will nicht darüber reden. Nicht mit dir.“ Auf den Nachsatz konnte Niko nicht verzichten, denn dass Colin ihn an seinen Bullen verraten hatte, wurmte ihn.
    Colin seufzte. „Ich schätze, das habe ich verdient. Gut, lassen wir das erst mal. Ich bin nicht deswegen hier.“
    „Sondern?“, fragte Niko, doch statt zu antworten, biss Colin in sein Sandwich und kaute in aller Ruhe, was Niko ungeduldig werden ließ. Um sich abzulenken, spielte er mit dem Deckel des Kaffeebechers herum, was nicht sehr lange funktionierte. „Jetzt sag' schon!“
    „Wenn du klug bist, hältst du dich die nächsten Tage besser von Mik fern“, erklärte Colin daraufhin ruhig und Niko schnaubte beleidigt.
    „Oh, keine Sorge. Ich hatte nicht vor, mich bei ihm für seine unerwünschten Kommentare zu bedanken.“
    Colin sah ihn enttäuscht an und schien etwas sagen zu wollen, winkte dann allerdings ab. „Das bringt nichts. Du willst es einfach nicht verstehen.“
    „Was gibt es da zu verstehen? Ihr habt...“
    „Halt den Mund, Niko!“
    Niko schwieg erstaunt und Colin schüttelte verärgert den Kopf.
    „Was ist nur in den letzten Monaten mit dir passiert? Du akzeptierst nur noch das, was dir in den Kram passt. Ob es wahr ist oder nicht, ist dir egal. So schlimm warst du früher nicht und das ärgert mich schon eine ganze Weile. Ich habe bisher nichts gesagt, was ein Fehler war, aber den werde ich korrigieren. Sobald Noah aufgewacht ist und wir wieder zu Hause sind, werden wir uns alle an einen Tisch setzen und ausführlich unterhalten. Ich habe die Schnauze voll davon, dass Mik sich ständig über dich ärgert und du bei jeder Gelegenheit deinen verdammten Sturkopf durchsetzen musst.“
    „Ich bin nicht schlimm“, war alles, was Niko zu Colins Monolog einfiel, nachdem er sich von dem ersten Schock erholt hatte.
    „Doch, Niko, das bist du, und du weißt es. Ich dachte anfangs, es ist wegen Alex und danach wegen Noah. Wir sind alle ziemlich angespannt, seit das passiert ist. Ich schätze, wir hätten uns schon die Köpfe eingeschlagen, wenn David nicht anfangs den Vorschlag gemacht hätte, uns in mehrere Hotels einzumieten, um wenigstens ein bisschen Privatsphäre zu haben.“ Colin seufzte. „Mik und ich sind seit Kilians Entführung im letzten Jahr ständig nervös und wahrscheinlich übertreiben wir es mit der Gluckerei. Aber hinter deinem Verhalten steckt etwas anderes und ich wünschte, du würdest es uns erzählen, statt es in dich hineinzufressen.“
    Oh oh. Niko versteckte sich hinter dem Kaffeebecher, bis er seine Mimik wieder unter Kontrolle hatte. „Da ist nichts.“
    „Und jetzt lügst du. Aber ich akzeptiere, dass du noch nicht so weit bist, darüber zu reden.“
    Colins resignierter Blick sprach Bände, weshalb Niko entschied, das Thema zu wechseln. „Was ist eigentlich mit Nick und Tristan? Sie waren gestern früh nicht im Krankenhaus, als ich Frühstück geholt habe.“
    „Sie kamen, kurz nachdem du abgedampft warst, und wollten natürlich wissen, was los ist, wie wir alle. Mik hat Tyler in Schutz genommen, weil der eure Probleme nicht vor unserer Familie ausplaudern wollte. Nick ist deshalb an die Decke gegangen und am Ende hat Adrian auf den Tisch gehauen, um für Ruhe zu sorgen. Er und David haben sich danach sehr