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Stille Tage in Clichy

Titel: Stille Tage in Clichy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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schnitt und wie ein Affe in diesem österreichischen Dialekt schnatterte, den sie nicht ausstehen konnte. Die Kinder kletterten auf ihr herum, kreischten wie die Perlhühner und machten unanständige Gesten, was Eliane nicht verhindern konnte, denn Carl hatte angefangen, sie zu kitzeln und sie in den Nacken, in die Beine, ins Hinterteil und in ihre Brüste zu beißen. Da lag sie, den Rock bis zum Hals hochgeschlagen, wand sich, quiekte, lachte, als würde sie platzen, und war gleichzeitig wütend, geradezu außer sich. Als es ihr schließlich gelang, sich zu befreien, brach sie in heftiges Schluchzen aus. Carl saß neben ihr, blickte bestürzt und verwirrt vor sich hin und murmelte wie vorher: «Tja, ja.» Ich nahm ruhig die Kinder bei der Hand und ging mit ihnen auf den Hof hinaus, wo ich sie, so gut ich konnte, unterhielt, während drinnen die Liebenden sich wieder versöhnten. Als ich zurückkam, hatten sich die beiden ins Nebenzimmer verzogen. Sie waren so still, daß ich zuerst glaubte, sie seien eingeschlafen. Aber plötzlich steckte Carl den Kopf durch die Tür und deutete mir mit seinem üblichen clownischen Grinsen an: Alles klar, ich habe es ihr besorgt! Bald darauf erschien Eliane, sie sah erhitzt aus und strahlte befriedigt. Ich legte mich auf den Diwan und spielte mit den Kindern, während Carl und Eliane fortgingen, um fürs Abendbrot einzukaufen. Als sie zurückkamen, waren sie in Hochstimmung. Ich hatte den Verdacht, daß Carl, dessen Augen schon bei dem bloßen Wort Essen aufzuleuchten pflegten, sich in der Begeisterung hatte hinreißen lassen, Eliane Versprechungen zu machen, die er nicht zu halten gedachte. Eliane war merkwürdig leichtgläubig - schuld daran waren vermutlich die Leberflecke, die sie ständig daran erinnerten, daß ihre Schönheit nicht makellos war. Die Behauptung, er liebe sie gerade wegen ihrer Leberflecke, die zu Carls Strategie gehörte, lieferte sie ihm hoffnungslos aus. Jedenfalls strahlte sie immer mehr. Wir tranken noch einen Amer Picon - einen zuviel für sie - und fingen dann, als die Dunkelheit langsam hereinbrach, zu singen an.
    In dieser Stimmung sangen wir immer deutsche Lieder. Eliane sang mit, obwohl sie die deutsche Sprache haßte. Carl war jetzt wie ausgewechselt. Keine Spur von Panik mehr. Zweifellos hatte er gute Arbeit bei ihr geleistet, er hatte drei oder vier Aperitifs getrunken und war nun hungrig wie ein Wolf. Außerdem war es bald Nacht, und dann würde er frei sein. Kurzum, der Tag nahm einen in jeder Beziehung befriedigenden Verlauf.
    Wenn Carl friedlich und heiter gestimmt war, dann war er unwiderstehlich. Er sprach begeistert über den Wein, den er besorgt hatte, eine sehr teure Sorte. Und behauptete, wie immer bei solchen Gelegenheiten, er habe ihn eigens für mich gekauft. Während er über den Wein sprach, machte er sich über die Hors d'œuvres her. Die machten ihn noch durstiger. Eliane versuchte, ihn zur Mäßigung zu bewegen, aber jetzt war er nicht mehr zu halten. Er fischte wieder eine ihrer Titten hervor, diesmal ohne bei ihr auf Protest zu stoßen, und nachdem er ein wenig Wein darüber gegossen hatte, nibbelte er gierig daran - zum größten Gaudium der Kinder. Dann mußte er mir natürlich den Leberfleck auf ihrem linken Bein oben beim Spalt zeigen. So wie die Dinge sich entwickelten, glaubte ich, sie würden wieder ins Schlafzimmer gehen, aber nein, plötzlich schob er die Titte wieder in die Bluse zurück, ließ sich zurückfallen und schrie: «J'ai faim, j'ai faim, ch é rie.» Und das im gleichen Ton, als riefe er: Fick mich, Liebling, ich kann's nicht mehr aushalten!
    Im weiteren Verlauf des exzellenten Mahls kamen wir auf die sonderbarsten Themen. Beim Essen — besonders wenn es ihm schmeckte — hielt Carl gern eine zwanglose Unterhaltung in Gang, die es ihm gestattete, sich ganz auf die Speise und den Wein zu konzentrieren. Um die Gefahren eines ernsthaften Gesprächs zu vermeiden, das seinen Verdauungsprozeß hätte beeinträchtigen können, warf er aufs Geratewohl Bemerkungen hin, die ihm für den Bissen, den er zum Mund führte, oder das Glas Wein, das er trank, passend und geeignet schienen. So platzte er jetzt damit heraus, daß er vor kurzem ein Mädchen kennengelernt habe - er war sich nicht sicher, ob sie eine Hure war oder nicht, aber was machte das schon? -, das ich auch kennenlernen müsse. Ehe ich fragen konnte, warum, fügte er hinzu: «Sie ist ganz dein Typ.

     
    Ich kenne deinen Typ», ratterte er weiter und

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