Stille über dem Schnee
noch in Erinnerung hat, manches
zusammenreimen. Der Raum hat einen durchsichtigen Spiegel, und auf einem Tisch
steht ein Tonbandgerät. Meinem Vater wird weder eine Tasse Kaffee noch ein Glas
Wasser angeboten. Er wird aufgefordert, seine Jacke abzulegen. Charlotte
bekommt er nicht zu sehen, auch später nicht.
Er wird aufgefordert, die ganze Geschichte von Beginn an zu
erzählen.
âºVon dem Moment an, als wir das Kind fanden?â¹ fragt mein Vater.
âºVon Anfang anâ¹, sagt Warren.
Mein Vater erzählt, wie wir das Neugeborene in dem Schlafsack
gefunden haben. Er spricht langsam und berichtet genau, bemüht, sich an alle
Einzelheiten zu erinnern.
âºSind Sie Charlotte Thiel schon vor diesem Abend einmal begegnet?â¹
fragt Warren.
âºNeinâ¹, antwortet mein Vater.
âºSie hatten sie noch nie gesehen?â¹
âºNein.â¹
Mein Vater berichtet, daà er Charlotte das erstemal in unserem Haus
begegnet ist, nachdem sie dort in dem blauen Malibu angekommen war. Sie habe
gesagt, sie suche ein Weihnachtsgeschenk für ihre Eltern, eine Geschichte, die
ihm, wenn er jetzt zurückblicke, gleich recht fadenscheinig vorgekommen sei. Er
erinnert sich an Charlottes späteres Geständnis, daà sie gar nicht gekommen
war, um etwas zu kaufen, sondern einzig, um ihn zu sehen.
âºWarum?â¹ fragt Warren.
âºUm mir zu dankenâ¹, antwortet mein Vater.
âºUm Ihnen zu danken?â¹
âºJa.â¹
âºWofür?â¹
âºDaà ich das Kind gefunden habe.â¹ Mein Vater überlegt einen Moment.
âºSie bat mich auÃerdem, ihr den Ort zu zeigen, wo wir das Kind gefunden haben.â¹
âºDa drauÃen im Wald?â¹
âºJa.â¹
âºHaben Sie ihn ihr gezeigt?â¹
âºNein. Das heiÃt, doch. Ich nicht, aber Nicky ⦠Sie
wollte ⦠Am nächsten Tag.â¹
Mein Vater erklärt, er habe gewollt, daà Charlotte sofort wieder
abfahre. âºUnd sie wollte auch fahrenâ¹, fügt er hinzu.
Er berichtet Warren von Charlottes Ohnmacht.
Er berichtet, daà wir Charlotte zu essen gegeben haben und sie
schlafen lieÃen.
Daà er nicht mehr von ihr wissen wollte als unbedingt nötig.
Er berichtet, wie Charlotte über seinen Schlafsack stolperte. Sich
die Hände verletzte.
Er berichtet, wie sie ihm ihre Geschichte erzählte.
âºMoment mal, habe ich das richtig verstanden?â¹ fragt Warren und
kippt seinen Stuhl nach vorn. âºSie hat Ihnen erzählt, James hätte gesagt, das
Baby sei im Auto. Kein Nachname?â¹
âºNein.â¹
âºUnd daà sie das Baby berührt habe, als sie ins Auto stieg?â¹
âºNein, daà sie die aufgehäuften Decken berührt habe. Sie dachte, das
Kind läge darunter.â¹
âºSie hat keinen Verdacht gehabt?â¹
âºNein.â¹
âºUnd Sie haben ihr das abgenommen?â¹
âºJa.â¹
Mein Vater weià in diesem Moment nicht â er wird das erst später
erfahren â, daà Warren diese Geschichte bereits gehört hat. Warren läÃt sich
die Version meines Vaters erzählen, weil sie â abgesehen davon, daà sie
möglicherweise neue Fakten ans Licht bringt â ein Mittel ist, um Charlottes
Aussage auf Widersprüchlichkeiten zu prüfen.
âºWerden Sie mich verhaften?â¹ fragt mein Vater.
âºDarauf werden wir zu gegebener Zeit zurückkommen.â¹
âºMeine Tochter hat mit dieser Geschichte nichts zu tunâ¹, erklärt
mein Vater.
âºSagten Sie nicht, Nicky wollte Charlotte Thiel zu der Stelle im
Wald führen?â¹
âºHm, ja.â¹
âºWas passierte da?â¹
âºNichts. Ich merkte, daà sie weg waren, und habe sie eingeholt, bevor
sie die Stelle erreicht hatten.â¹
âºAber es war jemand dortâ¹, sagt Warren. âºHat alles ziemlich
aufgewühlt.â¹
Mein Vater erkennt sofort seinen Fehler. Er weià nicht, daÃ
Charlotte bereits gestanden hat, vermutet aber, daà sie es vielleicht tun wird.
Und er hat keine Ahnung, was da drauÃen abgelaufen ist.
âºIch hatte den Eindruck, sie waren auf dem Weg vom Haus weg und
nicht auf dem Weg zurückâ¹, sagt mein Vater, um seine Glaubwürdigkeit nicht zu
verlieren und mich zu schützen.
Aber er ist Warren nicht gewachsen.
âºWarum haben Sie nicht die Polizei alarmiert?â¹ fragt er.
âºIch wuÃte, daà sie verschwinden würde, sobald ich zum Telefon
greife.â¹
âºAber Sie wollten
Weitere Kostenlose Bücher