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Stille über dem Schnee

Stille über dem Schnee

Titel: Stille über dem Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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tot.‹
    â€ºUnd Sie glaubten ihr das? Daß eine Frau, die gerade Mutter geworden
ist, ins Haus gehen und ihr neugeborenes Kind in einem Korb auf dem Rücksitz
eines Autos zurücklassen würde?‹
    â€ºUnter diesen besonderen Umständen hielt ich es für möglich. Ja, ich
hatte das Gefühl, daß sie die Wahrheit sagte.‹
    â€ºWarum haben Sie nicht die Polizei alarmiert?‹
    Warren hat die Frage schon einmal gestellt. Mein Vater fühlt sich
bedrängt. ›Das habe ich bereits erklärt.‹
    Warren faltet die Hände auf dem Tisch. ›Wie lange war sie bei Ihnen
im Haus? Achtundvierzig Stunden? Sie hätten in jeder Minute dieser
achtundvierzig Stunden zum Telefon greifen können. Das ist eine Menge Minuten,
um die Polizei nicht anzurufen.‹
    Mein Vater schweigt.
    â€ºIch könnte Sie für ein Jahr oder auf jeden Fall sechs Monate hinter
Gitter bringen. Wer würde sich dann um Ihre Tochter kümmern?‹
    â€ºDrohen Sie mir nicht‹, sagt mein Vater und steht auf.
    â€ºSetzen Sie sich, Mr. Dillon. Warum haben Sie nicht angerufen?‹
    â€ºDas habe ich Ihnen doch gesagt‹, entgegnet er und setzt sich
wieder. ›Ich wollte, daß sie sofort wieder fährt. Als sie merkte, daß ich sie
nicht zu der Stelle – im Wald – führen würde, sagte sie, sie würde fahren. Aber
dann wurde sie ohnmächtig. Ich machte mir Sorgen. Ich sagte, ich würde einen
Krankenwagen anrufen, aber sie packte mich am Arm und sagte, wenn sie in ein
Krankenhaus ginge, würde man – würden Sie – sie verhaften. Und das hat ja
gestimmt.‹
    â€ºUnd?‹ sagt Warren.
    â€ºIch konnte die Frau doch nicht mit Gewalt in einen Wagen befördern.
Und freiwillig wäre sie nicht eingestiegen. Andererseits wollte ich nicht, daß
sie das Haus verläßt, weil ich fürchtete, sie könnte wieder ohnmächtig werden.‹
    â€ºWarum haben Sie dann nicht die Polizei angerufen?‹ fragte Warren
zum drittenmal.
    â€ºWas soll das?‹
    â€ºSagen Sie mir, warum Sie nicht angerufen haben.‹
    â€ºIch bin hier fertig‹, sagt mein Vater. ›Ich gehe jetzt.‹
    â€ºWas weiter?‹ fragt Warren.
    â€ºWas soll das heißen? Ich weiß nicht, was Sie wollen. Ich weiß, daß
ich dachte, wenn ich diese Frau ins Krankenhaus fahre – immer vorausgesetzt,
ich schaffe es, sie in meinen Laster zu bringen –, wird die Polizei sehr
schnell von der Patientin hören, die vor kurzem entbunden hat, und ebenso von
dem klapprigen alten Laster, in dem sie vorgefahren ist. Und ich sitze dann
noch tiefer in der Patsche als ohnehin schon. Was mich allerdings, um ehrlich
zu sein, nicht übermäßig gekümmert hat. Nein, was mir Sorgen machte, war meine
Tochter. Wenn ich festgenommen oder, schlimmer noch, eingesperrt worden wäre,
was wäre dann aus ihr geworden? Jede Entscheidung, die ich heute treffe,
schließt sie ein.‹
    Mein Vater neigt sich Warren entgegen. ›Und da ist noch etwas‹, fügt
er hinzu. ›Meine Tochter beobachtet alles, was ich tue. Sie vertraut darauf,
daß ich das Richtige tue. Es hätte sein können, daß Charlotte unschuldig ist.
Ich habe nicht telefoniert. Ich habe gewartet. Und je länger ich gewartet habe,
desto komplizierter wurde alles.‹
    Warren sieht ihn weiter unverwandt an. Mein Vater hat das Gefühl,
sich das eigene Grab zu schaufeln, fühlt sich aber immer noch gedrängt zu
erklären – wenn keinem anderen, dann doch sich selbst.
    â€ºIch wollte sie nicht einfach im Stich lassen‹, sagt mein Vater.
›Ich wollte sie nicht einfach Ihnen überlassen, wenn Sie es genau wissen
wollen. Jedesmal, wenn ich daran dachte, ans Telefon zu gehen, bekam ich einen
ganz üblen Geschmack im Mund.‹
    Mein Vater steht wieder auf. Er schließt den Reißverschluß seiner
Jacke.
    â€ºSie hat den Kerl aufgegeben‹, sagt Warren.
    Diese Neuigkeit überrascht meinen Vater. ›Sie haben schon mit ihr
gesprochen?‹
    â€ºEr ist in der Schweiz.‹
    â€ºSie hat Ihnen schon die ganze Geschichte erzählt?‹
    â€ºBeim Skilaufen‹, sagt Warren.
    Der Kriminalbeamte und mein Vater kommen in die Cafeteria. Ich
springe auf, sobald ich sie bemerke.
    Â»Alles
in Ordnung«, sagt mein Vater.
    Â»Was ist mit Charlotte?« frage ich.
    Â»Gegen sie wird Anklage erhoben«, antwortet Warren,

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