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Stille Wasser sind toedlich

Stille Wasser sind toedlich

Titel: Stille Wasser sind toedlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlie Higson
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Unrecht. Es war abgrundtief böse.
    Aber Hellebore hatte Geld, Macht und Ansehen. James hingegen, das hatte er ja selbst zu Kelly gesagt, war nur ein Junge. Ein Junge, der anderer Leute Eigentum beschädigte und obendrein ein Dieb war. Zur Polizei zu gehen war sinnlos. Hellebore würde weitermachen wie bisher, James würde bestraft werden. Wie aber, wenn er Hellebores Werk zerstörte? Was, wenn er ihn für immer daran hinderte, seine Forschungen abzuschließen? Konnte er das überhaupt?
    Ohne dass es ihm selbst aufgefallen war, hatte James die Richtung geändert. Seine Füße hatten bereits die Entscheidung getroffen, auf die seine Gedanken noch zustolperten. Er würde zum Schloss zurückkehren und einen Weg finden, um Hellebore für immer zu ruinieren, ohne Rücksicht auf die Folgen. Die meisten Männer waren sicher damit beschäftigt, ihn zu suchen oder die kaputten Fahrzeuge und Tore zu reparieren. Wenn James wieder in das Schloss gelangen und das Labor und alles, was sich darin befand, zerstören könnte, wäre alles andere egal.
    James rannte jetzt wieder hügelaufwärts, auf Loch Silverfin zu. Der Weg dort hinauf war viel anstrengender als der Weg nach Keithly, aber das spielte keine Rolle. Grimmige Entschlossenheit trieb ihn an. Er war kein Mensch mehr, er war eine Maschine. Er würde weitermachen und dies zu Ende bringen. Niemand würde ihn aufhalten.
    Der Wind hatte sich gedreht. Plötzlich hörte er hinter sich laute Rufe.
    Am besten, nicht darüber nachdenken, nur weiterlaufen.
    Der Regen peitschte gegen seine Stirn, stach ihm ins Gesicht und machte ihn blind; Dornengestrüpp und scharfkantige Steine zerschnitten seine Füße. Er fühlte einen anhaltenden Schmerz in seinen Lungen und fing an zu husten, trotzdem lief er weiter.
    Die Minuten verstrichen. Er hielt den Kopf gesenkt und sah den Boden unter seinen Füßen vorbeigleiten, fühlte, wie sich der Atem keuchend aus seiner Kehle emporquälte. Sein Kopf schien nicht mehr zum Körper zu gehören, sondern frei in der Luft zu schweben. Er hatte kein Gefühl mehr in den Gliedern; undeutlich nahm er wahr, wie sie über den Boden stampften. Der Untergrund war sehr steinig, er musste Felsblöcken und Ginstersträuchern ausweichen. Daher lief er im Zickzack und doppelt so weit wie auf dem direkten Weg. Einmal kam er zu einem riesigen Felsblock, den er umrundete, bevor er seinen Weg in dem erbarmungslosen Regen fortsetzte.
    Irgendwann schoss es ihm durch den Kopf, dass er seit geraumer Zeit keinen Laut mehr gehört hatte, und für einen Augenblick gab er sich der Illusion hin, seine Verfolger abgeschüttelt zu haben. Im Laufen wandte er den Kopf um. Genau in diesem Moment stolperte er und fiel der Länge nach in ein Moosbett.
    Und jetzt endlich überwältigte ihn völlige Erschöpfung. Wie eine Lawine schlug sie über ihm zusammen. Sterne tanzten vor seinen Augen. Ein schwarzer, weicher Handschuh berührte ihn sanft, so unendlich sanft. Er war warm und behaglich. Er drückte ihm die Augen zu und im selben Augenblick war James eingeschlafen.
     
    James glaubte, nur eine Sekunde geschlafen zu haben, und erwachte mit einem Anflug von Panik. Er rieb sich die Schläfen, stand zittrig auf und wankte ein paar Schritte, bevor er sich an einen Felsen lehnte, um sein Gleichgewicht zu finden.
    »Da ist er!«
    James wirbelte herum.
    Am Fuß des Hügels, weniger als eine Viertelmeile entfernt, sah er etwa zehn Männer mit Hunden. Und an ihrer Spitze, das blonde Haar im Wind wehend, die unverwechselbare Gestalt von Lord Hellebore, der eine Reitpeitsche in der Hand hielt.

 

Fahr zur Hölle!
    E r hatte offenbar länger geschlafen, als er gedacht hatte. Wie sonst hätten sie so nah an ihn herankommen können? Warum war er nur so leichtsinnig gewesen? Er hatte genau das gemacht, wovor er Kelly gewarnt hatte: Er war übermütig geworden.
    Aber James war noch nicht am Ende, davonlaufen konnte er auch jetzt noch. Er rappelte sich auf und rannte los. Nach einem kurzen, scharfen Anstieg ging es zum Glück auf gleicher Höhe weiter.
    James beschleunigte seine Schritte. Die Erleichterung währte allerdings nur kurz, denn James wusste natürlich, dass auch seine Verfolger ihr Tempo verschärfen würden, wenn sie das Plateau erreicht hatten.
    Die verwirrendsten Geräusche drangen an sein Ohr: das raue Krächzen eines Schneehuhns, das zum Flug ansetzt, Steinbrocken, die sich vom felsigen Untergrund lösen; das Platschen des Regens auf nassem Untergrund; ein einzelner, lauter Ruf und

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