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Stille Wasser sind toedlich

Stille Wasser sind toedlich

Titel: Stille Wasser sind toedlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlie Higson
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fragte sich, welcher verwöhnte Aristokrat wohl mit so viel Gepäck reiste. Wie sich bald herausstellte, gehörten die Koffer und Reisetaschen nicht einem vornehmen Herzog oder einer eleganten Herzogin, sondern einem Jungen – und nicht irgendeinem, sondern ausgerechnet George Hellebore, der hinter den beiden Kofferträgern herschlenderte und im Befehlston Anweisungen gab.
    James seufzte. »Oh nein.« Was für ein Pech, im selben Zug wie Hellebore zu reisen. Aber davon würde er sich die Laune nicht verderben lassen. Bestimmt reiste Hellebore erster Klasse, also war es sehr unwahrscheinlich, dass sie sich während der Fahrt im Zug begegneten.
    James nahm erneut sein Buch zur Hand. Im gleichen Augenblick rief draußen der Schaffner: »Bitte einsteigen!«, und blies in die Trillerpfeife. Die große Lokomotive antwortete mit einem lauten Pfiff und der Zug setzte sich ratternd und ruckelnd in Bewegung. Die Lokomotive schnaufte wie ein dicker Mann, der eine Treppe hinaufsteigt, und dann setzte das typische Ta-tam, Ta-tam der Räder ein, als der Zug langsam Fahrt aufnahm.
    Diese vertraute, beruhigende Musik und das sanfte Schaukeln des Waggons lullten James ein und schon nach kurzer Zeit fühlte er sich angenehm schläfrig. Obwohl es noch recht früh am Tage war, gähnte er und schloss für einen Moment die Augen. Ein Klopfen an der Tür ließ ihn hochschrecken.
    »Herein«, sagte er. Die Tür ging auf und herein kam der rothaarige Junge.
    »Hier bist du also«, stellte er fest und grinste James an. »Ich hab dich schon überall gesucht. Wollte mich nur noch mal bedanken und so.«
    »Schon in Ordnung«, sagte James. »Keine Ursache.«
    »Das war echt prima von dir, Kumpel.« Der Junge streckte die Hand aus. »Ich heiße Kelly. Genauer gesagt, Red Kelly – wegen meiner roten Haare. Und weil es ein wenig wie Ned Kelly klingt. Du weißt schon, der berühmte australische Bankräuber.«
    James ergriff die Hand und schüttelte sie. »James Bond«, stellte er sich vor.
    »Nett, dich kennen zu lernen, Jimmy. Macht’s dir was aus, wenn ich mich ein Weilchen zu dir setze?«
    »Ganz und gar nicht«, sagte James.
    »Tja also, und du fährst bis nach Schottland rauf, was?«
    »Ja. Bis nach Fort William.«
    »Ich war noch nie so weit im Norden, und du?«
    »Mein Vater kommt aus Schottland. Ich war ein paar Mal in den Ferien dort.«
    »Und, ist’s nett da oben?«
    »Oh ja«, sagte James. »Es kann zwar recht kalt und nass sein und im Sommer fressen die Mücken dich bei lebendigem Leibe auf, aber es gefällt mir dort sehr gut.«
    »Um ehrlich zu sein«, sagte Kelly und schaute hinaus auf die vorbeiflitzenden Häuser, »bin ich noch nie so richtig aus London rausgekommen. Im Sommer gehen wir zum Hopfenzupfen nach Kent, und in Margate war ich auch schon mal, aber so eine echte Reise ist was völlig Neues für mich, so mit Schlafwagen und allem.«
    »Und wo genau willst du hin?«, fragte James. »Hast du Verwandte in Schottland?«
    »Verwandte hab ich praktisch überall. Meine Familie stammt ursprünglich aus Irland und ist im vergangenen Jahrhundert rübergekommen, um Schienen für die Eisenbahn zu bauen. Die Hälfte der Gleise auf dieser Strecke ist vermutlich von meinen Leuten verlegt worden. Die sind dorthin gegangen, wo’s Arbeit gab. In Schottland hab ich ’ne Tante. Sie wohnt in Keithly.«
    »Tatsächlich?«, sagte James. »Ich auch. Genauer gesagt, hab ich dort einen Onkel, aber meine Tante ist momentan ebenfalls da.«
    »Soll das ein Witz sein?«
    »Nein, es stimmt wirklich.«
    »Die Welt ist klein.«
    James dachte an Hellebore, der irgendwo weiter vorne im Zug saß. »Das kannst du laut sagen«, stimmte er seinem Reisegefährten zu.
    »Der Grund, warum ich überhaupt dahin fahre, ist mein Vetter«, erklärte Kelly und zog die Nase hoch. »Mein Vetter Alfie. Ich habe ihn nur ein einziges Mal getroffen, als er zu uns nach London kam. Netter Kerl. Aber jetzt wird er vermisst.«
    »Vermisst?«
    »Ja. Niemand weiß genau, was passiert ist. Man nimmt an, er sei angeln gegangen, weil seine Ausrüstung fehlt. Seiner Mum hat er allerdings nichts davon gesagt. Meine Tante ist ziemlich durch den Wind, aber das scheint niemanden groß zu kümmern. Na und da dachte ich, ich schau mich mal ein bisschen um und so. Wir müssen zusammenhalten, wir Kellys. Die Polypen mögen uns nicht, die Richter mögen uns nicht, die piekfeinen Pinkel in ihren großen Häusern mögen uns nicht – manchmal denk ich, es gibt überhaupt niemanden, der uns

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