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Stille Wasser sind toedlich

Stille Wasser sind toedlich

Titel: Stille Wasser sind toedlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlie Higson
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über seine Schädelknochen und seine Lippen waren blau und ausgetrocknet. »Ich habe mit niemandem je darüber gesprochen«, sagte er. »Ich wollte meine Erinnerungen begraben. Aber neulich am Fluss ist es wieder hochgekommen. Und nun …«
    »Ehrlich, Onkel Max, wenn du darüber nicht sprechen möchtest …«
    Max hüstelte. Er fachte das Feuer mit dem Schürhaken an. Funken stoben empor und tauchten den Raum in ein rötliches Licht. »Am Ende, glaube ich, ergeht es allen Spionen so«, sagte er. »Sie bleiben nicht ewig unentdeckt. Und eines Nachts kamen sie auch zu mir. Es war in einem kleinen Hotel in Flandern. Sie waren zu viert, riesenhafte deutsche Soldaten. Sie sagten nicht viel, stießen mich nur auf die Ladefläche eines Lastwagens und karrten mich im Schlafanzug weg. Ich schäme mich nicht, es zu sagen, James, ich hatte Todesangst. Ich war regelrecht zu Stein erstarrt. Ihr Hauptquartier war eine große, alte, hässliche mittelalterliche Festung aus schwarzem Stein. Ich wusste gleich, wenn man hier je wieder rauskam, dann im Sarg. Ich war aufgeflogen und als Spion wurde man erschossen … wenn nicht gar Schlimmeres …«
    Max hielt inne und rieb sich die Arme unter der Decke.
    »Sie haben mich nicht sonderlich gut behandelt und einige sehr hässliche Dinge mit mir gemacht, aber ich war entschlossen ihnen nichts zu erzählen. Nicht dass ich viel zu erzählen gehabt hätte, das militärisch irgendwie von Bedeutung gewesen wäre. Aber ich hatte meine Kontaktleute, weißt du? Meine Freunde – die wollte ich nicht im Stich lassen. Ich wusste natürlich, dass ich früher oder später etwas sagen musste. Früher oder später gibt jeder klein bei. Das machte mir am meisten Angst, denn ich wollte das nicht. Sie sollten nicht wissen, dass sie dies auch mit mir anstellen konnten.«
    »Aber du bist entkommen«, warf James ein. »Du musst geflohen sein, sonst würdest du jetzt nicht hier sitzen und mir dies erzählen.«
    »Ah ja«, sagte Max. »Einen Bond kann niemand für immer festhalten …«
    Langsam erlosch das Feuer im Kamin. Die orangerote Glut färbte sich langsam dunkel. Onkel Max legte ein paar kurze Holzstecken und ein neues Scheit nach und sah zu, wie die Flammen wieder zum Leben erwachten und sich den Kamin emporschlängelten.
    »Die Deutschen warfen mich in eine winzige, fensterlose, steinerne Zelle«, sagte er leise, als würde die Erinnerung an seine Gefangennahme und Inhaftierung ihn noch heute schmerzen. »Und alle paar Stunden holten sie mich heraus, um …« Er machte eine Pause und wählte seine Worte sorgfältig. »Um mich zu verhören. Ich verlor das Gefühl für die Zeit. Ich hatte keine Ahnung, ob es Tag oder Nacht war. Manchmal erlaubten sie mir die Toilette zu benutzen – sie waren nicht völlig wie die Tiere. Die Toilette hatte ein winziges, vergittertes Fenster, es bestand keine Chance, von dort zu entkommen. Aber mir fiel auf, dass dort, wo die Wasserleitungen die Wand durchbrachen, sie an einer Stelle feucht war. Das Gebäude war uralt und die Wasserleitung vermutlich schon seit Napoleons Zeiten undicht, so wie auch der gesamte Verputz bröckelte. Mit blutenden Fingern kratzte ich ein Loch in die Wand und stellte fest, dass hinter dem Verputz keine Steinmauer war, sondern nur das Zeug, mit dem man Fachwerk auffüllt, eine schmierige Masse aus nassem Rosshaar und Stroh und alten Sägespänen. Es war so porös, dass es wie Papier nachgab. Beim ersten Mal rührte ich nichts an, aber ich begann einen Plan auszuhecken. Ich glaube, das hat mich aufrecht gehalten – einen Plan zu haben. In einem kleinen, versteckten Teil meines Gehirns hatte ich mein Schicksal immer noch in der Hand. Und so habe ich jedes Mal, wenn ich die Toilette benutzte, etwas mehr von dem Verputz gelöst. Als sie mich das letzte Mal dort hineinstießen, habe ich wie ein Pferd geschuftet. Ich schaffte es, ein Loch herauszubrechen, das gerade groß genug war, um hindurchzuschlüpfen. Was auf der anderen Seite war, wusste ich nicht, aber es war meine einzige Chance, und so zwängte ich mich hindurch. Es war anstrengend und ich war so schrecklich schwach und übersät mit Schnittwunden und blauen Flecken, aber ich habe es geschafft. Ich fand mich in einem langen dunklen Raum wieder, an dessen entgegengesetztem Ende ein kleines, verstaubtes Fenster war. Hier befanden sich die Wassertanks für das ganze Gebäude, es gurgelte und rasselte in einem fort. Nun, ich wusste, dass mir nur Sekunden blieben, um zu fliehen, aber ich

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