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Stille Wasser sind toedlich

Stille Wasser sind toedlich

Titel: Stille Wasser sind toedlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlie Higson
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verabreichten«, sagte James. »Ich habe Sie beim Wettkampf beobachtet.«
    »George hatte die Tabletten bereits über einen längeren Zeitraum genommen. Inzwischen weigert er sich, aber damals … Damals machten sie ihn stärker und schneller. Der Cup sollte mein erster Triumph werden. Natürlich hat das Medikament kleinere Nebenwirkungen – gesteigerte Aggressivität, Launenhaftigkeit sowie in geringem Maße Intelligenzeinbußen –, aber die sind unbedeutend und werden bei einem Soldaten sogar begrüßt.«
    »Das haben Sie ihrem eigenen Sohn angetan?«
    »Warum nicht?«, rief Hellebore wütend aus. »Wenn er auf diese Weise gewonnen hätte?«
    »Aber er hat nicht gewonnen«, gab James zurück. »Weil Sie ihn verrückt gemacht haben. Das erklärt auch die Fehlstarts und den Angriff auf mich beim Querfeldeinrennen …«
    »Halt den Mund! Er hat nicht gewonnen, weil er ein Schwächling ist. Wie du siehst, nehme ich selbst ebenfalls die Pillen und sie schaden mir nicht im Geringsten. Sie erhalten mich so, wie ich jetzt bin: ein perfekter Vertreter der menschlichen Spezies.«
    »Haben Sie keine Angst, so zu werden wie Ihr Bruder?«
    »Mein Bruder war ein Narr. Er hat das Serum in einem zu frühen Stadium an sich ausgetestet und eine viel zu hohe Dosis genommen. Das von uns entwickelte Mittel ist sehr wirkungsvoll. Es verwandelt einen heulenden Feigling in einen Helden mit dem Herz eines Löwen und einen jämmerlichen Schwächling in einen Herkules mit dem Körper eines Bullen – und wenn’s sein muss, auch eine Frau in einen Mann.«
    »Und was hat es aus Algar gemacht?«
    »Was ist er denn in deinen Augen? Ein armer Teufel?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte James niedergeschlagen. Er wollte, dass diese Nacht vorüber war. Er wollte in seinem Bett im Cottage liegen. Er wollte in Sicherheit sein.
    »Schau hin!«, rief Hellebore und deutete auf den Aal im Bassin. »Ein Aal! Algar ist zu einem Aal geworden. Die Ähnlichkeit ist verblüffend, findest du nicht auch?«
    »Wie können Sie so etwas sagen!«, schrie James. »Er ist Ihr Bruder! Wie können sie so kaltschnäuzig sein! Sie sind wahnsinnig. Sie beide sind völlig verrückt!«
    »Wissenschaftler sind nicht wie andere Menschen«, sagte Dr. Friend ruhig. »Algar war Wissenschaftler durch und durch. Sein Horizont ging über die Gegenwart hinaus. Er hat weiter geblickt als nur auf unsere unbedeutenden, kleinen Existenzen. Er begriff, dass der Zweck die Mittel heiligt. Die Geschichte wird uns Recht geben.«
    Er hielt inne und polierte seine Brille wohl zum hundertsten Mal. »Menschen sind nicht wichtig«, fuhr er fort. »Was sie der Nachwelt hinterlassen, ist von Bedeutung. Sieh dir die großen italienischen Künstler der Renaissance an, die von skrupellosen Schurken bezahlt wurden. Niemand erinnert sich an die Opfer, aber jeder bewundert die Gemälde, Skulpturen und Gebäude. Die großen Ärzte vergangener Zeiten galten ihren Zeitgenossen als Monster, weil sie an Leichen experimentierten. Heute sind sie Helden!«
    »Es ist ein Unterschied, ob man Leichen seziert oder Menschenversuche macht«, sagte James.
    »Der Unterschied ist rein akademisch«, entgegnete Dr. Friend.
    »Hier ist der perfekte Ort für eine Fabrik«, sagte Randolph. »So wie es der perfekte Ort für ein Schloss war: direkt an einer Frischwasserquelle auf einer unzugänglichen Insel in einem See. Loch Silverfin. Kennst du die Legende? It’Airgrid? Der große Fisch, der alle kleinen Fische aufgefressen hat. Der größte und stärkste Fisch, den es je gab. Silverfin. Das ist der passende Name für mein Projekt, noch dazu, wo der See eine so wichtige Rolle dabei spielt. Eine Zeit lang haben wir sämtliche Abfälle in den See gekippt: unbrauchbares Serum, die Kadaver der Tiere, mit denen wir experimentierten, das Blut, das Tag für Tag bei unserer Arbeit anfällt, sowie alle möglichen chemischen und pharmazeutischen Reststoffe. Alles floss in den See, wo die gierigen Aale es genüsslich verschlangen. Und weißt du, was dann passierte? In erstaunlich kurzer Zeit zeigte es Auswirkungen auf ihren Organismus. Weil sie so primitiv und so widerstandsfähig sind, gediehen sie prächtig. Zugleich veränderten sie sich. Normalerweise ist ein Aal kein sonderlich aggressives Tier. Oh ja, sie sind rücksichtslos, aber sie sind keine Haie. Sie sind keine Barrakudas; ihre Zähne sind nicht scharf, sondern wie kleine Mahlsteine. Wenn sie sich einmal in etwas verbissen haben, dann halten sie auf Teufel komm raus daran

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