Stiller Tod: Thriller (German Edition)
lässt kaltes Wasser über das Geschirr laufen, bis sein Erbrochenes verschwunden ist, spült sich den Mund aus und wäscht sich das Gesicht. Einen Moment lang erkennt er den Mann nicht, dessen Spiegelbild er im Küchenfenster sieht.
Exley dreht sich um und geht nach oben. In der offenen Tür zu Sunnys Zimmer bleibt er stehen. Blaues Mondlicht schmiegt sich an die Wände und das Bett. Er kann sich nicht überwinden, den Lichtschalter zu betätigen und die Leere des Raumes zu enthüllen. Bei dem Gedanken, dass er seiner Tochter nie wieder eine Gutenachtgeschichtevorlesen wird, raubt ihm die Trauer den Atem. Eine Tür quietscht, und er sieht Caroline in ihrem Schlafzimmer stehen. Sie beobachtet ihn.
Er geht auf sie zu. »Caro, sag mir, dass das alles nicht wahr ist. Bitte.«
»Sorry, Darling«, antwortet sie mit einer Stimme, die Kristall zerschneiden könnte. »Es ist wahr. Gönn dir doch noch einen Joint, vielleicht verschwindet dann alles in einem Rauchwölkchen.«
Exley blickt in die Augen seiner Frau und merkt, dass sich in ihrem Wahn die Überzeugung verfestigt hat, dass er die Verantwortung für das Unglück trägt.
»Mein Gott, du willst doch wohl nicht behaupten, es ist meine Schuld?«
»O doch, Nicholas. O doch.«
Sie starren einander an, und einen Moment lang denkt er, dass die Situation zu einem ihrer Anfälle ausarten und mit Wut und Tränen enden wird. Fast wäre es ihm recht. Zumindest hätten sie dann eine Verbindung, sei sie noch so kaputt. Er würde alles dafür geben, um nicht mehr daran denken zu müssen, wie Sunny an seinen Surfshorts zupft und er sie ignoriert. Sie ins Wasser schickt.
Aber Caroline zuckt nur die Achseln. Er hört ihr bewusst langsames Atmen, als sie sich mit der Hand durchs Haar fährt.
»Ich geh schlafen«, sagt sie. »Ich würde vorschlagen, du auch, morgen gibt’s viel zu tun.«
Caroline wendet sich ab, und ehe Exley sich bremsen kann, greift er nach ihr und umarmt sie. Sie steht mit dem Rücken zu ihm, stocksteif, nur Knochen und harte Kanten, und als er die Arme senkt, sie loslässt, schlägt sie ihm die Tür vor der Nase zu.
KAPITEL 5
Dawn tritt durch einen Vorhang auf den schmalen Laufsteg, der einen Pfad in die Menge aus betrunkenen weißen Männern schneidet. Als ein Spotlight sich durch den Nebel aus Zigarettenqualm bohrt und sie erfasst, bleibt sie regungslos stehen, als hätte sie sich verlaufen. Und so sieht sie auch aus in ihrer zerschlissenen Jeans, der schlichten weißen Bluse, dem offen fallenden Haar, wie eine Unbeteiligte, die zufällig hier hineingeraten ist. Sie spielt mit dieser Wirkung, macht große Augen, die Fleisch gewordene Unschuld. Ihre Masche.
Die Stammgäste johlen, und die Neulinge verstummen mitten in ihren lauten Gesprächen, Gläser auf halbem Weg zum Mund. Gebrauchtwagenhändler und Automechaniker und Kopiergeräteverkäufer, die ihren blassen Ehefrauen für eine gestohlene Nacht mit dunklem Fleisch entkommen sind.
Dann, als die ersten Takte von »I Bruise Easily« aus den Lautsprechern tröpfeln, beginnt Dawn, ihren Arsch zu bewegen, den Arsch, der ihre Jeans viel zu rund ausfüllt. Den Arsch ihrer Mutter. Ein Grund mehr, das Weib zu hassen. Wenn Dawn ihren Hintern genau richtig abwinkelt, könnte man ein Sektglas drauf abstellen, und er ist ein Magnet für all die vielen alkoholtrüben Augen.
Dawn lässt sich von der Musik mitnehmen, diesen Worten von Verletzlichkeit und Schmerz, die sie taub machen für die Brandung aus trunkener Gier, die ihr entgegenschwappt. Sie meidet Blickkontakt mit den Männern, dreht sich weg von den Händen, die nach ihr grapschen.
Als der erste Refrain beginnt, knöpft sie ihre Bluse auf – darunter nur ein schlichter weißer BH–, lässt sie von den Schultern gleitenund auf die Rampe schweben. Löst den BH, der zu Boden fällt, befreit ihre kleinen Brüste, die dunklen Nippel so abstehend wie Fingerhüte, sodass der Pöbel da unten glaubt, sie sei geil.
Dawn zieht den Reißverschluss ihrer Jeans auf und öffnet sie, gewährt den Blick auf ihren weißen Slip, den auch eine Jungfrau tragen könnte. Als sie aus der Hose steigt und sie mit dem letzten Anschwellen der Musik zu einem Haufen zusammenfallen lässt, könnte die Begierde im Saal einen Waldbrand entfachen.
Das Gitarrenintro der alten Police-Ballade »Every Breath You Take« wird lauter, und als sie den Slip über ihre Schenkel nach unten schiebt – das Spotlight, das ihre getrimmten Schamhaare und die Falten ihrer Vulva beleuchtet,
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