Stiller Tod: Thriller (German Edition)
alte Trottel, mit dem ich dich gestern Abend vor der Kirche gesehen hab, wer ist das?«
»Niemand.«
Er zieht ruckartig an dem Nachthemd. Sie hört den Stoff reißen, und die Vorderseite klafft auf und eine Hängebrust ist halb entblößt. Beschämt versucht sie das Nachthemd zuzuhalten, aber er zieht nur noch heftiger, und sie muss die Arme vor den Brüsten verschränken.
»Sag mir, wie er heißt.«
»Mr. Tobias.«
»Du kommst doch wohl nicht auf komische Ideen, oder?«
»Nein, Junge. Nie im Leben.«
Er zieht sie runter, bis ihr Gesicht dicht an seinem ist, und drückt ihr die Gabel so fest gegen die Wange, dass die Zinken die Haut eindellen. »Ich behalt dich im Auge.«
Er lässt die Gabel fallen, stößt den Stuhl zurück und schiebt sich an ihr vorbei, geht in sein Zimmer und knallt die Tür zu.
Yvonne hat das Gefühl, als würde sie gleich in Ohnmacht fallen. Sie sinkt auf einen Stuhl, stützt den Kopf in die Hände, kämpft gegen Tränen an. Und wieder hört sie das Weinen, es sägt sich durch ihren Kopf, zum Wahnsinnigwerden.
KAPITEL 17
Der auberginefarbene Pastor klingt, als würde er mit einem Mund voller Murmeln ein Pferderennen kommentieren. Caroline braucht eine Weile, bis sie merkt, dass er Englisch spricht, oder das, was hier draußen als Englisch durchgeht. Sie schnappt ein paar Brocken auf: viel zu früh aus ihrem jungen Leben gerissen, in Jesu Armen, barmherziger Gott , und klinkt sich dann aus. Ihr Blick hebt sich vom verschwitzten Gesicht des Mannes, dem Rinnsale aus Schweiß über die flachen Wangenknochen laufen, das pralle Doppelkinn hinuntertropfen und sich im Hemdkragen sammeln, und sie starrt hinaus auf das Becken des blauen Ozeans und den Vogeldreck auf den Felsen dahinter, wie Zuckerguss auf vergammeltem Kuchen.
Sie trägt einen Sonnenhut und eine dunkle Brille, ein schlichtes, weißes Baumwollkleid und indische Sandalen. Ihre Füße sinken in den heißen Sand, und sie muss sie andauernd bewegen, um sich nicht die nackten Zehen zu verbrennen.
Caroline dreht sich um, wie sie das alle paar Minuten macht, seit diese absurde Farce begonnen hat. Sie blickt über die rechte Schulter, obwohl sie dabei kurz ihren Mann ansehen muss, mit dem sie seit dem Streit letzte Nacht kein Wort mehr gesprochen hat. Wenn sie nach links schauen würde, könnte sie sich das ersparen, aber dann würde sie den kleinen weißen Sarg sehen, der unter einem gestreiften Zeltdach wie von einem billigen Trödelmarkt auf einer mit Blüten geschmückten Bahre steht.
Die obere Hälfte des Sargdeckels ist offen. Caroline hat sich einen Blick erlaubt, zuvor, aber nur einen ganz kurzen. Gerade lang genug, um zu registrieren, dass man Sunny das Haar fast glatt geföhnt und das Gesicht wie das einer mexikanischen Kinderhure bemalt hat.
Caroline weiß, wenn sie den Sarg noch einmal ansieht, verliert sie die Fassung. Also huschen ihre Augen über Exley hinweg – er starrt nach unten auf den Sand, das Gesicht bleich unter der Sonnenbräune, ein kleines Viereck Klopapier, hart von getrocknetem Blut, klebt links an seiner Kinnlade – und gleiten über die traurige kleine Gruppe, die sich versammelt hat: Gladys, die Hausangestellte, wie ein Fels in der sengenden Sonne, von Kopf bis Fuß in Schwarz. Eine blonde Frau, die Mutter einer von Sunnys Freundinnen aus der Spielgruppe, versucht vergeblich, in der Nähe der Veranda Schatten zu finden, sieht diskret auf die Uhr. Der teigige Bestatter, dessen abgetragener Anzug dermaßen glänzt, dass er damit in einer Glitterband auftreten könnte, hat die Hände vor dem Körper gefaltet und steht da wie ein professioneller Trauergast. Der Wachmann bildet die Nachhut, bullige Schultern, über die sich die Kunstlederjacke spannt, funkelndes Sonnenlicht auf dem Rahmen seiner dunklen Brille, das Gewicht von dem Bein weg verlagert, das sichtlich dünner ist als das andere.
Caroline bemerkt eine Bewegung und spürt kurz Hoffnung in sich aufwallen, doch es ist bloß Shane Porter, der sich heranschleicht. Er trägt Jeans und T-Shirt und darüber ein Sakko, wie so ein alternder Rockstar. Seine Cowboystiefel sinken tief in den Sand.
Keiner von dem Fest am Samstag ist erschienen: Trauerfeiern sind offensichtlich um einiges unbeliebter als feuchtfröhliche Partys.
Und kein Vlad.
Ich bin jetzt nicht mehr unterhaltsam, denkt Caroline. Ich bin schwierig. Für ihn zu schwierig.
Sie schaut wieder nach vorne, just in dem Moment, als der clowneske Geistliche – wo um alles in der Welt hat Nick
Weitere Kostenlose Bücher