Stiller Tod: Thriller (German Edition)
und bleiern, dass sie gegen sie ankämpfen muss, als sie zurück ins Schlafzimmer geht und den Computer sieht, eine geschlossene Muschel auf ihrem Bett.
Ihre eigene Stimme, fast unhörbar in dem Psychobilly-Chor, befiehlt ihr, ihn nicht aufzuklappen. Doch sie nimmt sie nicht wahr oder hört einfach nicht hin, und sie setzt sich aufs Bett, die Decke ein lebendiges Ding, glatt und fleischig, bereit, sie nach unten zu saugen und zu ersticken. Sie entrinnt ihren Klauen, setzt sich im Schneidersitz auf den Teppich und nimmt den Computer auf den Schoß.
Ihre Hände zittern, ein lähmendes Schütteln, das es ihr fast unmöglich macht, den Mac zu öffnen. Ihr Daumen findet den kleinen Schieber, der den Deckel entriegelt – die Riffel schmerzhaft an der Haut –, verliert aber den Halt und rutscht auf kühles Plastik. Mit Hilfe beider Daumen, einer auf dem anderen, hat sie schließlich Erfolg. Sie hebt den Deckel an, und ihr Zeigefinger klopft einen wilden Morsecode auf den An-Knopf, ehe er lange genug aufliegt, um Druck auszuüben und den Mac hochzufahren.
Der Computer erwacht summend zum Leben, das Jaulen der Elektronik eine Oktave zu hoch, als dass Caroline es ertragen könnte. Sie wirft ihn auf den Teppich und steht auf, schlingt die Arme um den Körper, während das Gerät stöhnend und ächzend in Betriebsbereitschaft geht.
Als es seine verrückte kleine Begrüßung trällert, setzt sie sich wieder hin und öffnet die Datei mit ihrer laufenden Arbeit, das Einzige, was sie in den letzten Tagen aufrecht gehalten, ihr Hoffnung gegeben hat.
Wie durch ein Wunder ebben die Stimmen ab, als sich ihre Augen auf die vertraute, schwarze Times-New-Roman-Schrift vor dem Blauweiß des Monitors richten. Sie hört noch einen gurgelnden und saugenden Nachhall, dann nichts mehr. Stille. Sodass sie sich voll konzentrieren, die Bedeutung jedes Wortes abwägen kann.
Der Wahrheit ins Auge sehen.
Und es ist weiß Gott kindischer Mist. Der schauderhafteste, pubertärste Scheiß, den sie je geschrieben hat. Die niedrigste Form von bescheuerter Frauenliteratur. Der Schock rückt geistige Klarheit in greifbare Nähe, und dann sind die Stimmen wieder da, begeistert, sie johlen und lachen und verspotten sie.
Sie packt den indigoblau-cremefarbenen Computer, springt auf und schwingt ihn in einem weiten Bogen herum, schlägt ihn mehrmals gegen die Wand, bricht Brocken von weißem Putz heraus, unter dem blutrote Ziegel zum Vorschein kommen, bis das Gehäuse des Laptops schließlich splittert und seine Innereien freilegt: getüpfelte kleinePlatinen mit silbernem Lötzinn verziert und irgendwelches Zeugs, so groß wie Smarties, bunte Drähte wie geflochtenes Haar, gehalten von Kabelbindern.
Der Akku fliegt raus und landet auf dem Spann ihres linken Fußes, und der Schmerz spornt sie nur noch mehr an, und sie schwingt und schlägt mit noch mehr Kraft, merkt nicht mal, als das Plastik ihr in den linken Handteller schneidet. Schließlich steht Caroline bluttropfend da, inmitten eines Friedhofs von Computerteilen.
Sie hinterlässt eine Blutspur, als sie zurück ins Bad geht und das Licht ausmacht. Sie tastet in der Dunkelheit nach dem Waschbecken und dreht das kalte Wasser auf, lässt es das Blut abspülen. Sie weiß nicht genau, wie lange sie so dasteht. Irgendwann hebt sie die Hand, und die Wunde brennt, als sie wieder mit Luft in Kontakt kommt. Doch die Blutung hat aufgehört, und die Stimmen sagen ihr, was sie als Nächstes tun muss. Und wen sie sehen muss.
Die ganze Veranstaltung, die als »Motion-Capture-Meisterkurs mit dem Erfinder von LIFE IN A BOX« angepriesen wurde, ist die Idee von Billy Chalmers, dem braungebrannten südafrikanischen Werbetypen, der Exley aus der ersten Reihe im Zuschauerraum angrinst. Exley steht vor einer Kulisse aus kunstvoll gestapelten braunen Kartons, der offene Laptop sein einziger Schutz, und blickt vom Podium auf zweihundert Menschen hinab, die auf Klappstühlen in dem riesigen, fensterlosen, klimatisierten Saal sitzen.
Exley hat auf Autopilot geschaltet und bietet seine digitale Wunderkur feil, überzeugt, dass er sofort durchdreht, wenn er aufhört zu reden und die Wirklichkeit an sich heranlässt.
Am Morgen hat ihn ein Wagen mit einem stummen Schwarzen hinter dem Steuer am O. R. Tambo Airport abgeholt. Während der BMW auf der Schnellstraße eine Schneise durch die Rushhour schnitt, starrte Exley, das Gehirn umnebelt von Leid, blicklos in das Ekzem aus neuen Wohnanlagen, das in Richtung Sandton
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