Stiller Tod: Thriller (German Edition)
wucherte, Johannesburgs Finanzzentrum, weit weg von der postapokalyptischen Innenstadtund den sich endlos erstreckenden Getto-Townships, die er aus der Luft gesehen hatte.
Als die Hässlichkeit durch Tränen weicher und verschwommener wurde, war er sicher, dass er aus dem Wagen geschüttet werden müsste, eine einzige rotztriefende Pfütze. Beschämt durch die Augen des Fahrers, die ihn im Rückspiegel durchbohrten, bevor sie zurück auf die Straße glitten, riss er sich wieder am Riemen.
Sobald er im Inneren des Filmstudios war, das die Veranstaltung ausrichtete, hätte Exley von Sydney bis Stockholm einfach überall sein können. Der übliche Mix von Akzenten und Ethnien, Angehörige der digitalen Diaspora, wie Freimaurer vereint durch Computerkauderwelsch, das für Außenstehende unverständlich war.
Exley flüchtete sich in die Sicherheit seiner Rituale: am Laptop hantieren, seine Mantras runterbeten. Der Griff in seine Trickkiste, ein paar MoCap-Sequenzen auf die Big-Brother-Anordnung von Flachbildschirmen geschickt, die im Halbdunkel schwebten.
Als eine späte Mittagspause eingelegt wird, weicht Exley Chalmers und den Geldleuten aus, die mit ihm essen wollen, sucht sich lieber einen Raum, in dem er sich verstecken kann. Er stellt den Wecker an seinem Handy auf eine Stunde später ein, kriecht unter einen Plastiktisch, ohne sich an dem Fußpilzgestank zu stören, der aus den welligen Teppichfliesen steigt. Er rollt sich in Embryonalhaltung zusammen, schläft ein und fällt durch ein Kaninchenloch hinunter auf den Strand, wo er sich mit Shane Porter zudröhnt, spürt Sunny an seinen Surfshorts zupfen, ignoriert sie, wimmelt sie ab, sieht sie unter Wasser treiben, während eine Kette von Bläschen aus ihrem offenen Mund entweicht.
Exley kämpft sich aus dem Alptraum hoch, knallt mit dem Kopf gegen die Unterseite des Tisches, ist schlagartig hellwach. Die Wirklichkeit ist schlimmer. Seine Tochter ist tot.
Das rote Lämpchen an seinem Handy blinkt, und er sieht, dass er einen entgangenen Anruf und eine Mailboxnachricht von Caroline hat. Als er sie abspielt, hört er bloß ihren zischenden Atem und einenleisen Fluch. Er überlegt, sie zurückzurufen, fühlt sich jedoch zu angeschlagen für die unvermeidliche Konfrontation.
Exley sammelt seine Sachen zusammen, geht auf eine Toilette und wäscht sich das Gesicht, ordnet seine Kleidung. Dann steht er an die Wand gelehnt in dem dunklen Studio, wie ein Schauspieler, der hinter den Kulissen wartet, während das Publikum aus Fremden allmählich wieder in den Raum strömt.
Den Landy zu steuern übersteigt beinahe Carolines Kräfte. Der groteske Schaltknüppel, der zwischen den beiden Vordersitzen aus dem Boden ragt, ist schon in guten Zeiten schwer zu handhaben, aber jetzt, da Carolines Zuckungen die Obergrenze der Richterskala erreicht haben, kann sie dieses wackelnde dünne Ding unmöglich kontrollieren. Metall schabt und kratzt über Metall, als Caroline den Gang reinhaut. Sie ist noch immer barfuß, ihre Fußsohlen protestieren schmerzhaft, wenn sie die gummiummantelten Pedale tritt.
Die Hitze ist nervtötend, Benzingeruch hängt im Wagen, brennt ihr in Augen und Nase. Die Seitenfenster sind offen, aber keine Brise bewegt die Luft. Ihr Gehirn fühlt sich an wie geschwollen, drückt ihr von hinten gegen die Augen. Und obwohl sie langsam fährt, sind die vorbeiziehenden Häuser ein pointillistisch verschwommener Farbenbrei.
Die Stimmen hören nicht auf, mal schreien sie ihr Obszönitäten entgegen, dann wieder senken sie sich zu einem zischenden Tuscheln. Dieses Flüstern ist am gefährlichsten, es beschwört sie, den Kampf einzustellen, sich dem Wahnsinn hinzugeben. Aber sie kämpft weiter. Klammert sich an den letzten Fetzen ihrer selbst, während sie den Landrover bergauf zu Vlads Haus treibt.
Wenn sie ihn sieht, so redet sie sich ein, dann kommt sie wieder in Ordnung. Er wird ihr helfen. Die Stimmen verstummen lassen. Er muss sie bloß in die Arme nehmen, festhalten, und der Wahnsinn wird abklingen.
Sie jagt den Landrover auf den Bürgersteig vor seinem Haus undfällt aus dem hohen Wagen, lässt die Tür offen stehen und hastet zum Tor. Wie alle Häuser in diesem Reichenvorort ist auch Vlads eine Burg, umringt von hohen Mauern, auf denen Elektrodrähte surren. Das vergitterte Tor ragt vor ihr auf, gekrönt von einer Schraffur aus kunstvollen Stacheln. Neben dem Tor ist eine polierte Metallplatte mit einem weißen Knopf, einem Facettenauge und einem ovalen
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