Stiller Tod: Thriller (German Edition)
Blick zusammen.
»Ich kann hier nicht mehr arbeiten«, sagt sie und schiebt sich an ihm vorbei, bewegt sich erstaunlich schnell für eine so füllige Frau.
»Gladys?«, sagt er, versucht aber nicht, sie aufzuhalten, als sie aus dem Haus flieht. Froh, dass sie weg ist, diese Frau, die das Mal der Verderbnis an ihm sehen kann.
KAPITEL 33
Vernons Stimmung verdüstert sich, während er in seinem Honda durch Paradise Park fährt. Gebraucht zu werden – so wie Dawn und Nick Exley ihn brauchen – gibt ihm etwas, das ein wenig dazu beiträgt, das riesige Loch zu füllen, das sein Inneres zerfrisst. Aber es hat seinen Preis. Bringt Anforderungen und Zwänge und Aufgaben mit sich, die ihn belasten. Ihn stressen. Ihn deprimieren.
Das spürt er hier draußen umso mehr, tief in den Cape Flats mit ihren dicht an dicht stehenden Häusern und den alten Rostlauben und den Menschen ohne Hoffnung, die von dem heißen Wind hin und her gepeitscht werden, wenn er vom fernen Ozean heranrauscht wie ein Fluch. Hätte er nicht so viel zu tun, so viel zu erledigen, würde er Kurs auf Docs Haus nehmen und sich eine Spritze von seinem Zaubersaft geben lassen und für den Rest des Tages einfach im Nirwana verschwinden, wo sich all sein Ärger und das Bild von Dino Erasmus’ Nasenlöchern, die ihm hinterherschnüffeln, einfach in nichts auflösen.
Aber nein. Er hat Verpflichtungen.
Er ruft erneut Exleys Handy an. Wieder sagt dieselbe nicht ganz amerikanische Stimme, er sei im Moment nicht zu erreichen. Vernon hinterlässt keine Nachricht. Er war bereits bei ihm und hat am Tor geklingelt, obwohl er wusste, dass er sich damit verdächtig machen würde. Er war sicher, dass Exley zu Hause war. Doch der Arsch versteckt sich vor ihm, und das ist Grund zur Sorge. Ein Risikofaktor.
In dem Versuch, seine Stimmung aufzuheitern, lässt er ein bisschen Motown laufen, Ike und Tina Turner, »River Deep , Mountain High«. Hatte schon immer eine Schwäche für Duette. Die Musik tut gut, er singt den Refrain mit, trommelt mit den Fingern aufs Lenkrad, und als er vorm Jugendamt hält, ist er bereit, das zu tun, was getan werdenmuss. Er nimmt das kleine Geschenkpaket vom Beifahrersitz und geht den Weg entlang, hat sogar wie beim letzten Mal einen kleinen Scherz und eine Zigarette für den kaputten alten Exhäftling übrig, der im Garten arbeitet.
Die Augen des Mannes, aus denen alle Hoffnung gewichen ist, machen Vernon Angst, also geht er hastig weiter, mit schnellen Schritten, obwohl er das Bein nachzieht. Er rempelt sich eine Gasse durch das Pack aus jämmerlichen und unnützen Gestalten bis zu der Frau am Empfang, die die Nase tief in eine Klatschillustrierte gesteckt hat.
»Vernon Saul. Ich will zu Merinda Appolis.«
Die Frau seufzt, lässt die Illustrierte sinken und sagt etwas ins Telefon, knallt den Hörer wieder auf die Gabel. Sie schaut schon wieder in ihre Zeitschrift, als sie meint: »Die ist beschäftigt. Sie müssen warten.«
Vernon kann sich nur mühsam beherrschen. Weiß, dass sie ihn zur Strafe hier bei dem menschlichen Abfall warten lässt. Er drängelt sich nach draußen, bleibt in der Tür stehen und steckt sich eine Lucky an, versucht sich ganz bewusst zu beruhigen, inhaliert tief, spürt den warmen Rauch in der Lunge. Er hat die Zigarette fast aufgeraucht, als die Frau am Empfang ihn ruft und ihm sagt, dass er reingehen kann.
Diesmal erwartet ihn Merinda Appolis nicht an der Tür, sondern bleibt hinter ihrem Schreibtisch sitzen, die Knie sittsam geschlossen.
Er hat nicht mal genug Zeit, sie zu begrüßen, da geht sie schon zum Angriff über. »Falls du gekommen bist, um mich weichzuspülen, vergiss es, Vernon, okay? Ich reiche morgen meinen Bericht ein, und spätestens Freitag hat Dawn Cupido ihre Vorladung vor Gericht. Also, falls du mich umstimmen willst, verschwendest du bloß deine und meine Zeit.« Sie presst die bemalten Lippen zu einem harten kleinen Schlitz zusammen und verschränkt die Arme.
»Deshalb bin ich nicht hier, Merinda«, sagt er todernst.
»Was willst du dann?«
»Darf ich mich setzen?«
Sie hebt eine Hand und zeigt auf den Stuhl ihr gegenüber. Er setztsich übertrieben schwerfällig hin, schiebt sein Bein zurecht, legt seinen verbundenen Arm auf den Schreibtisch. Sieht, dass sie hinschaut, aber sie sagt nichts.
»Eigentlich bin ich hier, um mich bei dir zu bedanken.«
»Bedanken? Wofür?«
»Dafür, dass du das getan hast, was ich mich nicht getraut hab. Ich hab mir Sorgen um das Kind gemacht, und
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