Stiller Tod: Thriller (German Edition)
nächsten Joint hält.
Der Australier, dessen fleischiges Gesicht in dem gelben Licht aus dem Wohnzimmer vor Schweiß glänzt, pustet einen beißenden Strahl Rauch aus und sagt: »Wirf das Baby ein, wenn dir alles zu viel wird, Alter, und wenn du im Nirwana ankommst, schick deinem lieben Onkel Shane eine Ansichtskarte.«
Ob sie noch mehr gesprochen haben, kann Exley nicht mehr sagen. Filmriss. Irgendwann ist Port weg, und Exley weiß, dass er ihn nie wiedersehen wird. Er wandert durchs Haus und merkt, dass er die leere Tequilaflasche in der Hand hält.
Exley nähert sich wieder der Urne, die Luft um ihn herum brodelt und wabert von dem Alkohol und dem Gras. Er klemmt sich das, was von seiner Tochter übrig geblieben ist, unter den Arm und schlurft ins Studio, lässt sich in seinen Computersessel fallen.
Er stellt die Urne neben den Monitor und tastet nach der Maus, deren glattes Plastik seinen Fingern entgleitet wie ein geöltes Schwein. Schließlich erwischt Exley sie und macht sich an die Arbeit, und die glänzende Urne spiegelt seine tanzende Tochter wider.
KAPITEL 40
Dawn liebt die Waterfront. Für sie verkörpert sie alles, was an Kapstadt magisch ist: ein gigantisches, um den Hafen herum gebautes Einkaufszentrum mit dem sonnenüberfluteten Tafelberg im Hintergrund. Hier wimmelt es von reichen Weißen mit gebräunter Haut und ausländischen Akzenten. Sämtliche Designerläden sind vertreten – von Jimmy C bis Louis V –, und sie fühlt sich mit einer großen glamourösen Welt verbunden, wenn sie bloß an den hell erleuchteten Schaufensterauslagen vorbeigeht, Brittany an der Hand.
Sie hat Britt ein Eis gekauft, und das Kind hüpft neben ihr her, die Nase mit Eiscreme beschmiert. Dawn bleibt stehen, bückt sich und wischt ihrer Tochter mit einem Taschentuch durchs Gesicht.
»Nun mach, iss endlich auf. Ich will mit dir einkaufen gehen.«
Die Eiswaffel verschwindet, Brittany, das kleine Ferkel, stopft sie sich in den Mund, und Dawn zupft ihr die Sachen ein bisschen zurecht, und sie gehen in ein Geschäft für Kindermode, Egg, aus dem die Kleidung von Nick Exleys toter Tochter stammte.
So klein sie auch ist, Brittany weiß, dass der Laden was Besonderes ist. In ihrem übergroßen T-Shirt und der chinesischen Bluejeans sieht Britt niedlich aus, klar, aber Egg verkauft Markenklamotten für unter Zehnjährige.
»Mommy, kaufst du mir so was?«, fragt Brittany und befingert ein Outfit an einer kindergroßen Schaufensterpuppe wie eine professionelle Einkäuferin.
»Ja. Heute ist dein Glückstag, Süße.«
Sie finden die Ständer für Vierjährige, und Brittanys Hände sind überall, grapschen und ziehen, und so eine schnöselige braune Verkaufstussi kommt zu ihnen und lächelt sie frostig an.
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragt sie mit einem Akzent, den sie sich aus dem Fernsehen geklaut hat.
»Nee, wir kommen klar. Ich ruf Sie, wenn ich Sie brauche«, antwortet Dawn.
Eine klotzige blonde Frau mit zwei dicken Kindern kommt herein, und die Verkäuferin geht zu ihr, mit einem breiten Lächeln. Dawn muss mit Britt ein regelrechtes Tauziehen veranstalten, bis sie sich endlich einigen, welche Sachen sie anprobieren soll. Dawn hat die Zweitausend von Nick in der Tasche, aber die Preise für diese Klamotten sind pervers. Kommt gar nicht in Frage, dass sie ihr schönes Geld für dieses Zeug rausschmeißt.
Sobald sie mit Brittany in einer Kabine ist, zieht sie sie bis auf die Unterhose aus, und dann wählen sie gemeinsam ein Outfit aus, das ihnen beiden gefällt. Dawn ist hin und weg von den Sachen, könnte sich vor Begeisterung glatt in die Hose machen. Ein lockeres, ärmelloses Top mit aufgestickten Blümchen und Schmetterlingen über einer engen rosa Hüfthose aus irgendeinem weichen elastischen Stoff. Perfekt.
Hose und Top sind mit Plastiksensoren so groß wie Broschen gesichert, die den Alarm am Ausgang auslösen, falls sie versucht, die Sachen rauszuschmuggeln. Kein Problem. Dawn kramt eine Nagelschere aus der Tasche und schneidet die Sensoren geschickt aus dem Stoff. Sie zupft ein paar lose Fäden ab. Der Schaden ist kaum zu sehen.
Dann zieht sie ihrer Tochter die billigen alten Sachen über das Egg --Outfit. Das merkt kein Mensch. Dawn versteckt die Sicherheitssensoren unter der Bank in der Kabine, schnappt sich den Armvoll verschmähter Kleidung und nimmt Brittanys Hand.
Sie drückt der Verkäuferin die Sachen in die Hand und sagt: »Ich glaub, Ihr Zeug ist eher was für Kinder mit dicken
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