Stiller Tod: Thriller (German Edition)
Pfad.
Exley sagt sich, dass unter dem Haufen Holz nichts sein wird. Aber nein, da ist sie: eine gallegrüne Plastiktüte, das obere Ende zugeknotet. Exley macht sie auf, findet eine Automatikpistole und ein Paar Plastikhandschuhe.
Vernon hat ihm am Tag zuvor anhand seiner eigenen Pistole gezeigt, wie die Waffe gespannt und abgefeuert wird. Hat ihm gesagt, er soll ganz nah rangehen, ehe er abdrückt. Hat ihm gesagt, er soll die Handschuhe anziehen, damit die Kriminaltechniker keine Pulverrückstände finden, falls sie seine Hände untersuchen.
Exley spürt den Wind des Karmas im Rücken, als er die Tüte aufhebt und mitnimmt. Um sie dem Cop zu zeigen. Als Beweis gegen Vernon Saul.
Keuchend und Alkohol ausschwitzend erreicht Exley den Feldweg, der zu dem nicht mehr genutzten Pfadfinderheim führt. Er sieht das Gebäude in der Ferne als Silhouette vor dem grellen Sonnenuntergang: Außenmauern aus Backstein mit klaffenden Fenster- und Türhöhlen, ein freiliegender Dachstuhl, fast alles leergeplündert.
Eine helle Ford-Limousine parkt vor dem Haus, und Erasmus lehnt an der Motorhaube, raucht, betrachtet die Luxusvillen, die weit unten dem Schwung der Küstenlinie folgen, der Himmel hinter dem Berg ein schmutzig roter Streifen, wie abgerissen von seinem übrigen Schwarz.
»Muss schön sein, Geld zu haben«, sagt der Cop, ohne ihn anzusehen. »Ihr Scheißausländer seid hergekommen und habt alles aufgekauft,lebt hier wie die Maden im Speck. Aber eins kann ich Ihnen flüstern, Ihren Arsch rettet jetzt nichts mehr, und wenn Sie noch so viel Geld haben.« Exley antwortet nicht, ringt nach Luft. Erasmus dreht sich zu ihm, richtet diesen Rüssel auf ihn wie eine Flinte. »Ich krieg Sie dran, Mr. Exley.«
Exley nickt. Alles ist außer Kontrolle geraten, und er muss wieder Ordnung herstellen. Die Wahrheit sagen. Erzählen, wie er Caroline in Notwehr und aus Wut getötet hat. Wie Vernon ihn manipuliert hat.
Er will diesem Widerling mit dem unfertigen Gesicht gerade alles gestehen, als Erasmus sagt: »Also, was ist wirklich mit Ihrer Tochter passiert?«
Das Geständnis bleibt Exley im Hals stecken, und er sagt: »Was meinen Sie?«
»Sie ist ertrunken, während Ihre Frau irgendwo mit Stankovic rumgevögelt hat, vermute ich. Und Sie und dieser Australier? Was haben Sie gemacht? Sich die Birne zugedröhnt und es einfach passieren lassen? Ihr Scheißtypen seid wirklich verkommen.«
Exley schüttelt den Kopf, will Nein sagen, so war das nicht. Obwohl es doch so war.
Aber der Bulle ist noch nicht fertig. Exley kann förmlich spüren, wie diesem Mann Wut und der Hass auf die Weißen heiß vom Körper wabern. »Jedenfalls, ich bin sicher, Sie fühlen sich jetzt befreit. Die Tochter tot und begraben. Die Frau umgebracht. Nun haben Sie freie Bahn, um sich ein bisschen schwarzes Fleisch zu gönnen, so wie ihr das immer macht.« Auf Exley wirken die Worte des Mannes wie Ohrfeigen. »Ja, ich weiß, dass sie gestern bei Ihnen zu Hause war, diese kleine Straßennutte. Da bleibt keine Zeit für Schuldgefühle gegenüber Ihrer toten Familie, wenn so ein Buschfrau-Mund Ihnen den weißen Schwanz lutscht, was?«
Eine jähe Wut kollidiert mit den Substanzen, die Exley zu sich genommen hat, und die toxische Mischung schaltet für ein paar Sekunden sein Nervensystem aus, als wäre in ihm ein Aneurysma geplatzt. Schwindelig kippt er rückwärts gegen den Wagen, zitternd, ringt umKraft. Er hat keine, und seine Finger öffnen sich, und die Plastiktüte rutscht ihm aus der Hand und fällt zu Boden, die Waffe darin klonkt dumpf auf einen Stein.
Der Bulle starrt ihn an, dann schiebt er einen seiner abgelaufenen Hush Puppies vor, öffnet die Tüte mit der Spitze, und das Metall der Pistole schimmert lachsrosa im letzten Licht. Erasmus lacht, als er sieht, was drin ist.
»Ach du Schande, das ist ja zu schön«, sagt er, saugt vergnügt die Luft ein, wobei sich seine Nüstern blähen, als würden sie sich ganz für sich allein amüsieren. »Wissen Sie was? Unser Treffen hier war mein allerletzter Versuch. Ich hab absolut nichts Belastendes gegen Sie und Ihren lieben Freund Saul finden können. Mein Boss hat mir gesagt, ich soll’s sein lassen. Wir wollen die Ausländer doch nicht sauer machen, hat er gesagt. Wir brauchen das Geld von denen, hat er gesagt. Ich war kurz davor, aus der Sonderermittlung rauszufliegen. Ich wäre nur noch peinlich, haben sie gesagt. Und jetzt? Jetzt kann ich mich wohl auf eine Beförderung freuen.«
Der Bulle zieht
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