Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi
dass ihre Stimme versöhnlicher klang.
Sie seufzte. »Paul, das geht doch niemals gut. Du bleibst keinen Tag lang anonym. Dein Porträt ist ständig in der Zeitung.«
»Ich verlasse mich einfach darauf, dass ich in Kleingartenkreisen nicht so bekannt bin. Der Vorsitzende des Stadtverbands hat jedenfalls nichts gemerkt.« Wieder räusperte er sich.
»War das noch nicht alles? Was kommt als Nächstes – habt ihr schon Kinder?«
»Ich brauche dringend ein paar Arbeitsklamotten. Keine Ahnung, was ein Kleingärtner trägt. Ich komme angeblich vom Land, alles muss möglichst stimmen.«
Ruth stützte die Ellbogen auf den Tisch, ballte die Hände zu Fäusten und legte ihr Kinn darauf. Um ihre Mundwinkel schien ein Lächeln zu spielen. »Schau im Keller nach, im Raum hinter dem Brennofen. Da hängen noch ein paar alte Hosen und Jacken von dir.« Sie musterte ihn. »Ich hoffe, du passt noch rein. Deine Bohnenstange steht offensichtlich auf Männer mit Bauchansatz.«
Stiller ging nicht darauf ein. »Ruth«, sagte er stattdessen, »ich habe bei dieser Geschichte auch an dich gedacht. Ich habe mich in der Laubenkolonie schon flüchtig umgesehen. Es gibt da jede Menge Gartenzwerge – aber nichts Ordentliches. Die übliche Massenware, vermutlich aus China. Du verstehst? Ein toller Absatzmarkt für deine Gnome und Rosenfeen. Du könntest mir eine Kiste davon zusammenpacken.«
Ruth lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. »Du meinst, du willst dort meine Gartenfiguren verkaufen?«
Stiller nickte. »Ich staffiere die gesamte Parzelle mit ihnen aus. So, dass sie jeder sehen muss. Glaub mir, in diesem Garten fallen sie ganz bestimmt auf. Wenn dann jemand fragt …«
Sie schwieg eine Weile und betrachtete ihn ernst. Dann stand sie auf. »Komm, hilf mir aufräumen. Der Abfluss der Spüle ist verstopft. Kümmer dich drum, ich pack dir derweil eine Kiste.«
Stiller atmete auf. »Lass dir Zeit, ich kann sie erst morgen mitnehmen.«
Ruth schüttelte den Kopf. »Paul, du bist manchmal echt blöd.« Jetzt lächelte sie wirklich. »Aber ganz so blöd dann auch wieder nicht.«
***
Stiller trat kräftig in die Pedale, als er von der Polizeidienststelle in die Redaktion zurückradelte. Es war kurz vor vier, spätestens um sechs musste er im Büro des Kleingärtner-Stadtverbands sein. Den Bericht hatte er zum größten Teil im Kasten, die Pressekonferenz hatte wenig Neues gebracht. Mit Ausnahme der Tatwaffe. Ein Gartenzwerg! Dieses Symbol der Idylle, der Friedlichkeit, des braven Bürgertums war Tatwaffe in einem Gewaltverbrechen geworden.
Das Corpus Delicti war beim zweiten Schlag in die Brüche gegangen. Sicher kein Produkt deutscher Wertarbeit. Nicht vergleichbar mit Ruths skurrilen Gartenfiguren. Sie überlebten Stürze vom Küchentisch, verbrachten Jahre im Freien, ohne Risse oder Sprünge zu bekommen. Mit ihnen hätte Alexander der Große allein die gesamte persische Armee niederstrecken können. Nein, der tödliche Gartenzwerg stammte eher aus einer fernöstlichen Massenproduktion. Billigware. Andererseits war diese Art von Gartenschmuck auch nicht dazu gedacht, Leben auszulöschen.
Strobels Team hatte die Scherben zusammengesetzt und die Figur rekonstruiert. Es handelte sich um die übliche Variante mit weißem Rauschebart, die rote Zipfelmütze steil aufgerichtet. Hier hatte der Täter zugepackt, nach der Spurenlage zu schließen. Fingerabdrücke gab es allerdings nicht. Das rotbackige Gesicht war weitgehend unbeschädigt geblieben. Der Gartenzwerg grinste so zufrieden wie ein Anlageberater, der gerade eine reiche Witwe über den Tisch gezogen hat, und doch so freundlich, als könne er niemandem etwas zuleide tun – schon gar nicht dem Vorsitzenden einer Kleingartenkolonie. Vom Hals abwärts zogen sich geklebte Sprünge über seinen Leib. Der lustige Geselle trug eine kurze Lederhose und feste Wanderstiefel – Stiller dachte augenblicklich an Dorn, den Vorsitzenden des Kleingärtner-Stadtverbands.
Laut Strobel stammte der Gartenzwerg nicht aus der Parzelle des Toten. Strunke hatte für kitschigen Zierrat nichts übrig gehabt, er hatte sich bei der Dekoration auf die Basics der Gartendekoration beschränkt: alte Schubkarren, morsche Rechen mit Holzzinken – in dieser Art. Bisher gab es noch keine Hinweise, wem der Zwerg gehörte, falls ihn der Täter nicht selbst mitgebracht hatte. Die Kripo hatte an alle Pächter Bilder verteilen lassen und sie aufgefordert, möglichst noch am selben Abend in ihren Gärten
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