Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi
äußerst dürftiges Alibi.
Strobel beugte sich wieder vor, zog sich die oberste Mappe heran, schlug sie auf und las die Fakten noch einmal durch.
Das Paar hatte das Haus in der Dämmer Brückenstraße gegen fünf Uhr morgens gemeinsam verlassen. Eine Nachbarin hatte das bestätigt. Angeblich waren sie vor der Arbeit an der Aschaff joggen gegangen, wie sie beide in einer ersten kurzen Befragung unabhängig voneinander angaben. Das deckte sich aber nicht mit der Richtung, in die sie nach Aussage der Nachbarin losgelaufen waren. Das Flüsschen lag nördlich der Brückenstraße. Die beiden Jogger hätten sich jedoch in die entgegengesetzte Richtung gewandt, zur Michaelskirche hin. Dort pflegte Nadele seinen Wagen zu parken.
Nach den bisherigen Befragungen hatte niemand das Paar zurückkommen sehen. Zur Arbeit waren beide pünktlich erschienen. Ursula Strunke traf um fünf vor halb acht in der Firma Letron ein, wo sie als Sekretärin arbeitete. Das Unternehmen lag gleich um die Ecke, der Fußweg war kaum länger als zehn Minuten. Also dürfte sie gegen Viertel nach sieben aufgebrochen sein. Thomas Nadele begann zwar erst um acht zu arbeiten, hatte aber eine Anfahrt von fünfundzwanzig Minuten und wollte sich daher zeitgleich mit Ursula Strunke auf den Weg gemacht haben.
Wie auch immer: Die Zeit zwischen fünf und Viertel nach sieben hätte vollständig ausgereicht, um nach Nilkheim zu fahren, den Mord zu verüben, zurückzukehren, zu duschen und sogar noch gemütlich miteinander zu frühstücken. Von der Dämmer Michaelskirche zum Radieschenparadies hinter Nilkheim dauerte es zwanzig Minuten. Morgens um fünf, vor dem Berufsverkehr, dürfte es sogar noch schneller gehen, Mike Staab würde das morgen überprüfen. Jedenfalls passte es zur mutmaßlichen Tatzeit.
Wieder klappte Strobel die Mappe zu, ließ die Finger knacken und gähnte. Natürlich durfte er die Kleingärtner und das sonstige Umfeld des Toten nicht außer Acht lassen, er wollte die Ermittlungen in alle Richtungen offenhalten. Trotzdem, was Ursula Strunke und Thomas Nadele betraf, waren die Weichen gestellt.
Erstens: Claudia Junk sollte die Befragung der Nachbarn fortsetzen. Vielleicht gab es doch weitere Augenzeugen für das Kommen und Gehen der beiden angeblichen Jogger.
Zweitens: Die Anwohner des kleinen Parkplatzes an der Michaelskirche mussten befragt werden. Wenn das Paar wirklich ins Auto gestiegen war, statt zu joggen, war es vielleicht dabei beobachtet worden.
Drittens: Ein Team hatte am kommenden Morgen Termin an der Aschaff, um die Jogger abzufangen. Wenn das Paar tatsächlich in den Aschaffauen unterwegs gewesen war, musste es zwangsläufig anderen Frühsportlern begegnet sein. Strobel wusste aus eigener Erfahrung, dass viele Jogger zwar regelmäßig und zu den gewohnten Zeiten ihre Strecke liefen, aber nicht täglich. Er hatte daher angeordnet, die Befragung an der Aschaff mindestens eine Woche lang fortzusetzen, falls sich nicht vorher jemand fand, der die beiden gesehen hatte.
Das Aschaff-Team war vorerst nur mit älteren Fotos ausgestattet, die sich die Kripo von Ursula Strunke und Thomas Nadele hatte aushändigen lassen. Das würde sich bald ändern. Denn viertens wollte Strobel die beiden offiziell vorladen, vernehmen und, wenn nötig, erkennungsdienstlich behandeln lassen. Damit hätte die Soko neues Bildmaterial. Die Staatsanwaltschaft hatte bereits zugestimmt: Die bisherigen flüchtigen Befragungen lieferten genug Anhaltspunkte dafür.
Strobel griff zum Telefon und bat die Dienststellenleitung, die Termine zu vereinbaren: für den nächsten Tag um neun Uhr, nach der Einsatzbesprechung der Soko. Bis dahin gab es eventuell erste Ergebnisse aus der Befragung der Jogger. Er legte auf und blickte auf die Armbanduhr. Halb sieben. Er konnte Feierabend machen. Sabine würde sich freuen, trotz des neuen Falls würde er pünktlich zu Hause sein.
In diesem Augenblick klingelte das Telefon. Als er zum Hörer griff, wusste er: Es würde anders kommen.
4
Der R4 war schon immer sein Lieblingsauto gewesen. Klein, aber praktisch. Mit umgeklappter Rückbank ergab sich eine Ladefläche, die den Besitzer eines R4 in Studentenkreisen zum beliebten Freund machte. Da ließ sich mit einer, höchstens zwei Fahrten so ziemlich alles transportieren, was in eine Bude passte.
Andere standen auf die Ente. Den Fiat 500. Oder auf den Käfer, wenn sie nicht auf den Spritverbrauch achten mussten. Alles schöne Autos, keine Frage. Aber keines hatte das, was
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