Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi
Kleinschnitz war ein Freund.
***
Anderthalb Stunden später hatte er sämtliche Neuigkeiten im Fall Strunke zusammengetragen. Er gestand es sich nur ungern ein, aber die Kripo war auf der sicheren Seite. Ursula Strunke hatte eine Reihe von Motiven, sie hatte kein Alibi, und sie hatte falsche Angaben gemacht. Dasselbe galt für ihren Lebensgefährten Thomas Nadele. Sie bestritten allerdings hartnäckig, etwas mit dem Mord zu tun zu haben. So blieb unklar, wer den tödlichen Schlag geführt hatte.
Hauptkommissar Strobel hatte die entsprechenden Fragen nicht kommentiert und auf die laufenden Ermittlungen verwiesen. Die Verhöre der beiden Verdächtigen würden im Beisein ihrer Anwälte fortgesetzt.
Stiller rückte sich die Tastatur zurecht, um mit dem Schreiben loszulegen. Doch sein Handy hielt ihn davon ab. Es war keiner der speziellen Klingeltöne. Bevor er annahm, warf er einen Blick aufs Display: unbekannter Anrufer.
»Ich höre?« Er wusste nicht, ob er sich mit Stiller oder Döberlin melden sollte.
Der Anrufer zögerte eine Sekunde. »Spreche ich mit Stiller?«, fragte er.
»Stiller, ja.« Er angelte sich einen Stift.
»Vapore hier.«
Automatisch notierte Stiller den Namen.
»Mein Vater hat mir eine Nachricht der Polizei zukommen lassen. Sie hätten unseren Mercedes beschädigt, ist das richtig?«
Stiller setzte sich kerzengerade auf. Die Episode mit den beiden Möchtegern-Mafiosi hatte er völlig verdrängt. Der Fall Strunke war erledigt – und er hatte jetzt zu allem Überfluss noch den kaputten Spiegel an der Backe. »Das ist richtig.«
»Die Reparatur kostet einhundertfünfzig Euro.«
»Hundertfünfzig?«, wiederholte Stiller ungläubig.
Vapore lachte. »Es war ein Konvexspiegel, elektrisch verstellbar und beheizbar. Plus Arbeitszeit. Sie kriegen die Rechnung, dann sehen Sie, dass alles korrekt ist.«
»Okay.« Stiller gab ihm seine Anschrift. »Und falls ich Fragen habe: Sie sind …?«
»Giuliano Vapore.«
»Und Ihr Vater?«
Vapore zögerte erneut.
»Wenden Sie sich besser an mich«, schlug er vor. »Mein Vater ist mit dem Mercedes ein wenig heikel.«
Stiller legte auf und betrachtete den Zettel mit dem Namen. Vapore – irgendetwas sagte ihm das. Er grub in seinem Gedächtnis, fand aber nichts. Schließlich nahm er Handy und Zettel, stand auf und lief über den Flur. Am Ende lag die Online-Redaktion, Kerstin Polkes Reich.
Schon auf halbem Weg hörte er sie wettern und wüten. Es war früher Nachmittag. Er wusste, dass sich ihre Laune mit Fortschreiten des Arbeitstags zunehmend verdüsterte. Im Kampf mit der aus ihrer Sicht unzureichenden Technik und mit den Fehlern der Printkollegen lud sie sich auf wie ein Kondensator, um dann Blitze abzufeuern auf jeden, der ihr zu nahe kam.
Stiller biss sich auf die Unterlippe. Umkehren? Nein, er hatte wenig Zeit, und sie war routinierter. Vorsichtig öffnete er die Tür und streckte den Kopf in ihr Zimmer.
»Es zieht«, plärrte Kerstin. »Rein oder raus!«
Stiller schlüpfte hinein.
»Raus wär mir lieber gewesen«, raunzte sie ihn an.
»Schönen Tag auch«, sagte Stiller versöhnlich.
»Schönen Tag, schönen Tag«, fauchte sie, ohne sich umzudrehen. »Wenn mich jemand erschießt, dann wird’s für mich vielleicht noch ein schöner Tag.«
»Kerstin …«
»Aber nicht mal das bringt hier jemand auf die Reihe.«
»… ich …«
Abrupt drehte sie sich mit dem Bürostuhl zu ihm um. »Sag endlich, was du willst.«
»… brauche deine Hilfe.« Stiller streckte ihr den Zettel hin.
»Du. Meine. Hilfe. Wann kommt hier eigentlich mal jemand und fragt mich, ob ich Hilfe brauche? Bin ich euer Depp, oder was? Steht bei mir vielleicht ›Schaf‹ auf der Stirn?« Sie riss ihm den Zettel aus der Hand. »Was?«
»Ich brauche Infos über diesen Vapore. Vielleicht findest du etwas im Internet.«
Sie schleuderte den Zettel auf den Schreibtisch. »Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder? Kannst du keinen Namen googeln?«
»Ich bin im Druck. Es gibt eine neue Wendung im Fall Strunke – und du willst den Bericht ja wohl auch so schnell wie möglich online haben.«
»Ich hab die Meldung der Kripo längst drin«, maulte sie. »Wenn du gelegentlich mal reingucken würdest, wüsstest du das.«
»Tut mir leid«, sagte Stiller.
»Das behaupten sie alle.« Kerstin drehte sich weg, stützte die Hände rechts und links ihrer Tastatur auf und starrte auf den Bildschirm. »Mit den Gärtnern hast du wohl falschgelegen.« Ihr Ton wurde versöhnlicher.
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