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Stiller Zorn: Roman (German Edition)

Stiller Zorn: Roman (German Edition)

Titel: Stiller Zorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Sallis
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dem weiß man nie recht, wie man dran ist. Das Badezimmer ist rechter Hand am anderen Ende vom Flur. Handtücher und alles Weitere sind im Regal hinter der Tür. Sagen Sie mir ebenfalls Bescheid, wenn Sie noch irgendwas anderes brauchen. Ansonsten lassen wir Sie in Ruhe.« Er streckte die Hand aus. »Freut mich, dass Sie zu uns gekommen sind, Lew.«
    Irgendwie freute ich mich auch. Ich legte mich aufs Bett, betrachtete die Decke und fragte mich, wie es weitergehen sollte. Als ich wieder aufwachte, war es draußen dunkel.
    Ich ging die Treppe runter und begab mich in den Gemeinschaftsraum. Zwei Jungs waren über ein Schachbrett gebückt, eine Handvoll anderer saßen rund um einen Fernseher, auf dem die letzten Szenen von Der tiefe Schlaf liefen. Das Abendessen war längst weg, und ich hatte Kohldampf.
    Mir fiel ein, dass ich unterwegs an einem Royal Castle vorbeigekommen war, und machte mich auf die Socken. Nicht viele Leute auf der Straße – viel zu kalt –, und auch im R. C. war nicht viel los. Ein Typ mit Bart und schütteren, zottligen Haaren, der sabbernd vor einer Portion Pommes hockte; ein junges Pärchen, das in der hintersten Nische rumknutschte; zwei gutbetuchte selbständige Geschäftsleute, die über die Tabellen und Aufträge redeten, die sie zwischen den Burgerkörben ausgebreitet hatten. Auf der Uhr war es 21 : 14.
    Ich bestellte einen Burger mit Pilzen, eine Backkartoffel mit Sauerrahm und Kaffee. Mein erstes richtiges Essen seit langem, wenn man es so nennen wollte. Alles roch nach Speckfett und schmeckte, als ob es von der gleichen Person gekocht worden war, die auch den Polyester erfunden hatte.
    Ich zahlte an der Kasse, was ein tüchtiges Loch in meine Barschaft riss. Die Kassiererin tippte keine Zahlen ein, sondern drückte lediglich auf die Tasten, auf denen ein stilisierter Hamburger, ein Pilz, eine Kartoffel und eine dampfende Tasse Kaffee abgebildet waren.
    »Besuchen Sie uns bald wieder«, sagte sie.
    »War klasse hier«, sagte ich zu ihr.
    Ich zog die Basin Street entlang, bekam allmählich mit, dass ein Auto hinter mir herschlich. Bog in eine Seitenstraße ab, worauf mir die Karre trotz des Einbahnstraßenschilds folgte. Schließlich drehte ich mich um und wartete.
    »Hände hoch, Beine breit, Griffin«, sagte einer der Jungs. Hatte ich schon gemacht.
    »Haben Sie über das nachgedacht, was wir vorhin beredet haben?«
    Ich zuckte die Achseln.
    »Man braucht heutzutage Freunde, vor allem wenn man schwarz ist, stimmt’s? Sind Sie ein Freund von uns?«
    Wieder zuckte ich die Achseln.
    »Der Mann weiß nicht, ob er ein Freund von uns ist, Johnny?«
    Der Typ im Auto schüttelte bekümmert den Kopf.
    »Da fragt man sich doch, wessen Freund er ist . Holla – was ist denn das? Siehst du das, Johnny? Wo kommt denn das her?«
    »Aus der Innentasche seiner Jacke, Bill.«
    »Und was ist das?«
    »Sieht aus wie eine Tüte mit irgendeinem weißen Pulver, soweit ich das feststellen kann.«
    »Schreibt ihr das alles auf?«
    »Klar.«
    »Wollen Sie etwa Ihre Wäsche waschen gehen, Griffin? Ist das hier vielleicht Leuchtkraft und Aprilfrische?«
    »Glaub ich nicht, Bill«, sagte der andere.
    »Ne. Weder Leuchtkraft noch Aprilfrische. Was ist das, Griffin?«
    »Sagen Sie’s mir.«
    »Für mich sieht das aus wie erstklassiges Koks, Mister Griffin. Wundert mich doch, dass Sie das nicht wiedererkennen.«
    »Hab’s noch nie gesehen.«
    »Klar, Lew. Hat doch nie einer. Schon erstaunlich, dass noch nie einer so was gesehen hat. Stimmt’s, Johnny?«
    »Stimmt.«
    »Schreibt ihr das alles auf?«
    »Ganz recht.«
    Ich kam davon – hauptsächlich wegen des Anwalts, der urplötzlich auftauchte und mir, dem diensthabenden Sergeant und dann vor Gericht erklärte, dass er ein Rehabilitationszentrum vertrete, das von »einem gewissen William Sansom und anderen« betrieben werde. Irgendwie schaffte er es, dass eine Richterin runterkam und ich binnen einer Stunde zwecks Haftprüfung im Gerichtssaal stand. Die Richterin war eine Frau um die fünfzig, die sich alles genau anhörte, ein paarmal gähnte und dann sagte: »Kein Verfahren. Die Sache ist eingestellt.« Ich sah Walsh hinten im Gerichtssaal stehen. Er und die zwei FBIler wechselten ein paar Blicke, als sie den Saal verließen.
    Es war fast Mitternacht, als ich wieder zu dem Haus kam. Der Fernseher lief immer noch, aber keiner saß mehr davor. Auf einem der Betten oben lag eine in Decken eingemummte Gestalt und schnarchte. Ein anderer Typ saß nackt da und las

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