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Stiller Zorn: Roman (German Edition)

Stiller Zorn: Roman (German Edition)

Titel: Stiller Zorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Sallis
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bereit wären, eine Meuterei anzuzetteln. Wie würden Sie sich verhalten?« Als die Arbeiten ausgewertet waren, wurden unsere Eltern zu einer Sprechstunde einbestellt. »Lewis hat sich eindeutig entschieden, und seine Entscheidung ist ganz hervorragend«, erklärte Mr Pace, der Vertrauenslehrer, meinen Eltern. »Aber irgendwie fehlt es ihm an persönlichem Ehrgeiz. Er drängt sich nicht vor, hat keinerlei Antrieb .« »Das wissen wir schon«, sagte mein alter Herr, stand auf und ging.
    Unten am Fluss spielten ein alter Mann und sein Sohn hundserbärmliche Trompetenduette von »Bill Bailey« und »When the Saints«. Ich ging zurück zum Jackson Square. In der einen Ecke standen ein junger weißer Klarinettist und ein alter schwarzer Tenorbanjospieler, die sich durch allerlei bekannte Melodien aus den vierziger Jahren ackerten, in der anderen ein alter Trompeter und ein junger Gitarrist, beide weiß und irgendwie europäisch wirkend, die einen Dixieland mit vertrackten Harmonien spielten.
    Ich ging rüber zum Café du Monde und genehmigte mir zwei Tassen Kaffee und eine Portion Beignets. Danach kaufte ich mir am French Market ein Stück Zuckerrohr, lutschte dran und spazierte die Chartres Street entlang in Richtung Canal, als plötzlich ein Pinto neben mir anhielt.
    »Griffin? Hände hoch, Beine breit«, sagte der Mann auf dem Beifahrersitz. Ich tat wie geheißen und beugte mich über das Auto. An so was gewöhnt man sich irgendwann.
    Einer der Jungs zeigte mir seine Dienstmarke – keine von hier. Der andere zog mich herum.
    »Okay, Griffin, Sie sind sauber. Wo wohnen Sie?«
    Ich zuckte die Achseln.
    »Kein fester Wohnsitz«, sagte der eine zum andern. »Haben Sie einen Job?«
    Ich schüttelte den Kopf, kam mir vor wie in uralte Zeiten zurückversetzt.
    »Kein festes Einkommen«, sagte er.
    »Aber man hat ihm eine Unterkunft angeboten«, sagte der mit der Dienstmarke.
    »Tatsache?«
    Sie unterhielten sich, als wäre ich Luft.
    »In dem Behüteten Haus.«
    »Tja. Vielleicht sollten Sie auf das Angebot eingehen, Griffin.«
    »Ja. Könnte nichts schaden.«
    »Dann könnten Sie diesen Sansom und seine Leute irgendwie für uns im Auge behalten. Wir wissen, dass da unten irgendwas vor sich geht.«
    »Wir wissen bloß nicht, was.«
    Sie stiegen wieder in ihren Pinto.
    »Brauchen Sie Geld, Lew?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Na klar doch. Jeder braucht Geld. Überlegen Sie sich einfach mal, wie viel Sie brauchen. Wir lassen uns irgendwas einfallen. Bis dann, Lew.«
    Ich schaute dem Pinto hinterher, als sie auf der Chartres Street davonfuhren, und hoffte, dass ihn jemand auf die Hörner nahm.

2
    »Freut mich, dass Sie es sich noch mal überlegt haben«, sagte Sansom. Er trug einen dunklen Anzug mit Hosenträgern und sah aus wie ein Anwalt. »Noch einen Kaffee?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Wir haben Sie in Zimmer C-sechs untergebracht. Dort sind derzeit nur zwei andere Jungs. Sagen Sie uns Bescheid, wenn es irgendwelche Schwierigkeiten gibt. Normalerweise verlangen wir eine Gegenleistung, aber die haben Sie ja schon erbracht. Wenn Sie zu Geld kommen, können Sie was in den gemeinsamen Topf werfen, soviel Sie für richtig halten. Essen gibt’s jeden Tag von vier bis sechs im Gemeinschaftsraum – kalter Aufschnitt, Obst, Käse, Suppe, Brot.«
    »Ich bin unterwegs ein paar Leuten begegnet.«
    »Lassen Sie mich raten. Leute mit grauen Anzügen, kurzen Haaren und protzigen Bindern? Tja, die sind der Meinung, wir sollten nach wie vor Sprüche auf Ghettomauern malen, statt wirklich was zu tun. Ich weiß nicht, vielleicht glauben die, wir lagern Bomben im Keller. Wir haben gar keinen Keller, Mann – wir sind hier in New Orl eens .« Einen Moment lang mimte er den Stumpfsinnigen, und von der Intelligenz, die er ansonsten ausstrahlte, war nichts mehr zu merken. »Wir sin keine guten Nigga, Massa Griff’n.« Dann lachte er tief und grollend. »Kommen Sie. Ich bringe Sie nach oben.«
    Das Zimmer war überraschend hell und luftig. In sämtlichen Ecken standen Betten, mitten im Zimmer ein runder Tisch und Stühle. Ansonsten gab es nicht viel: einen niedrigen Bücherschrank, an die Wand genagelte Regale, zwei kleine Läufer.
    »Wo sind die alle?«
    »Jimmi –« Er deutete auf eins der Betten, das tadellos gemacht war. »– arbeitet ehrenamtlich in einer Kindertagesstätte und ist tagsüber meistens weg. Carlos –« Diesmal war das Bett ungemacht. »– verteilt Flugblätter, Telefonbücher, nimmt jede Arbeit an, die er kriegt. Bei

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