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Stiller

Stiller

Titel: Stiller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Frisch
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bei Besichtigung derFertigware, jener Swiss pottery, womit er sein knappes Geld verdiente. »Diese flachen Schalen«, sagte er, »gefallen Julika noch am besten.« Ein andermal: »Es will alles gelernt sein, wie du weißt, und zu einem richtigen Keramiker werde ich es nicht mehr bringen!« Mit besonderer Freude führte Stiller eine selbst konstruierte Drehscheibe vor. Als Laie sah ich ihn wie einen Meister seines Fachs, wenn er über die Töpferei verschiedener Völker und Zeiten, über das Rätsel gewisser Glasuren redete. Worin bestand seine Veränderung? Sein Geist war mehr als bisher auf die Dinge selbst gerichtet, schien mir. So wie er früher doch nur von sich selbst redete, wenn er von der Ehe ganz allgemein, von Negern, von Vulkanen und weiß Gott wovon erzählte, so redete er jetzt von ›seinen‹ Töpfen, von ›seiner‹ Drehscheibe, von ›seiner‹ Glasur, von ›seiner‹ Könnerschaft sogar, ohne im mindesten von sich selbst zu reden.
    »Herr Staatsanwalt!« begrüßte mich Frau Julika. Und Stiller gab ihr einen Kuß auf die Wange; seine Hände waren von der Drehscheibe etwas schmutzig. Ich fand Frau Julika merklich älter, eine ungewöhnlich schöne Frau nach wie vor, immer seltsamer ihr auffallendes Mädchenhaar, das ohne viel Kosmetik leuchtete. »Wenn er nur wieder einen Grund hat, um Wein zu trinken!« meinte sie, als Stiller nun zu seinen Flaschen ging, nicht ohne uns vorher im Garten draußen die zwei wackligen Liegesessel aufgestellt zu haben. »Schön hier«, sagte Frau Julika, »nicht wahr?« Trotz aller Sympathie, die ich mehr und mehr für die ungewöhnliche Frau empfand, wußte ich tatsächlich nie so recht, was ich mit ihr reden sollte. Ihre Kühle, wahrscheinlich nur eine Maske der Scheuen, durfte man nicht auf sich selbst beziehen. Sie hatte vermutlich keine Ahnung davon, wie wenig sie sich mitteilte, und konnte es nicht fassen, wenn jemand ihre Zuneigung, ihre Freude an einem Wiedersehen oder an einem kleinen Geschenklein nicht erspürt hatte. Sie betrachtete das handgedruckte Tüchlein. »Sehn Sie«, sagte sie lediglich, »so etwas findet man hier nirgends.« Sie hatte eine tiefe Scheu, glaube ich, sich mit Worten auszudrücken, und anderseits machte die Art und Weise, wie Frau Julika das kleine Tüchlein, wiewohl es ihr vermutlich gefiel, sofort zur Seite legte, auch mich recht verlegen, als hätte ich eine große Dankesrede erwartet. Ich erkundigte mich nun nach ihrer Arbeit in der Mädchenschule da unten, erfuhr aber so gut wie nichts und mußte mich besinnen, was sie sonst interessieren könnte. Sie hatte den Kopf in ihr kupfernes Haar zurückgelegt, begreiflicherweise von ihrer Tagesarbeit etwas müde. »Unser Stiller ist ja ein richtiger Töpfergeworden!« begann ich, und sie nickte. Vorher im Souterrain war mir aufgefallen, daß Stiller gesagt hatte: Diese flachen Schalen gefallen Julika noch am besten. Das hatte auf mäßige Anerkennung von seiten seiner Frau schließen lassen, auf ein geringes Interesse oder gar Skepsis gegenüber seinen Versuchen, ja, der gute Stiller schien etwas zu vermissen, etwas wie Ermunterung, Kritik im Rahmen der Begeisterung; da unten im Souterrain hätte man meinen können, Frau Julika halte seine ganze Töpferei eigentlich für einen Humbug. Nun sagte sie zu mir: »Finden Sie es nicht unwahrscheinlich, was er in diesen zwei Jahren zustande gebracht hat?« Ich fand es auch. »Das sollten Sie ihm aber sagen«, meinte ich, »es würde ihn freuen.« – »Sag ich es ihm denn nicht?« – »Sie wissen ja«, wich ich aus, »wie wir Männer sind! Man will Eindruck machen, dort wo man liebt, und wenn es dort nicht gelingt, gehen wir in die Öffentlichkeit!« Ich hatte es scherzhafter gemeint. »Ich weiß nicht«, sagte Frau Julika und rieb sich mit beiden Händen ihre Augen, »was er immer von mir erwartet. Hab ich es ihm nicht gesagt? Aber wenn er mich nicht hört.« Es war nicht meine Absicht gewesen, mich irgendwie als Vormund einzuschalten, und ich brach ab. »Ihr sagt euch immer noch Sie?« platzte Stiller herein und machte unsere Verlegenheit noch voll. »Also Prosit!« überbrückte er, und wir stießen mit den kleinen kühlen Gläsern an, Stiller und ich. »Du trinkst nichts?« fragte er, als Frau Julika ihr gefülltes Glas nicht ergriff, da sie keine Lust hatte, und wiederholte: »Also Prosit!« Wahrhaftig überlegte ich einen Augenblick, ob Frau Julika etwa ein Kind erwartete; ihre Ablehnung, Wein zu trinken, war so stumm wie entschieden, als

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