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Stille(r)s Schicksal

Stille(r)s Schicksal

Titel: Stille(r)s Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Kunze
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Tag arbeiten und außerdem reden wir hier nicht über private Dinge, dafür werden wir schließlich nicht bezahlt."
    Blöde Kuh, dachte Sven, nahm dann aber doch erfreut ein dumpfes Geräusch und trippelnde Schritte zur Kenntnis, die sich rasch entfernten. Sie geht endlich den Chef fragen, sang es in ihm. Nun würde er gleich wissen, wo sich Anne aufhielt. Seine Hände wurden feucht, jetzt würde alles gut werden.
    Lange blieb es still im Hörer. Nur von weitem hörte Sven, wie jemand in einer für ihn unglaublichen Geschwindigkeit auf irgendwelche Tasten hämmerte.
    Endlich näherte sich das Trippeln wieder.
    "Herr Stieler? Also, der Chef sagt, wenn Sie ein Freund wären, dann wüssten Sie auch, dass Anne im Krankenhaus ist. Also darf ich es Ihnen nicht sagen. Tut mir leid, auf Wiederhören!"
    Sie hatte eingehängt, noch ehe Sven etwas erwidern konnte.
    Im Krankenhaus? Um Himmels willen! Was war passiert?
    Sollte diese Bader doch ruhig seinen Namen verhunzen, er hatte jetzt andere Sorgen.
    Er musste zu Anne, darauf reduzierte sich alles.
    So viele Krankenhäuser gab es in der Region nicht, mit zitternden Händen wählte er die Nummer des ersten.
    "Kreiskrankenhaus, Müller, was kann ich für Sie tun?"
    Der Mann in der Vermittlung hatte eine angenehme, dunkle Stimme.
    "Stiller hier, guten Tag, wissen Sie vielleicht, ob meine Freundin Anne Hellwig bei Ihnen liegt?"
    Sven brachte seine Frage nur mühsam hervor. Hatte der Vermittlungsmann ihn überhaupt verstanden? Sven hatte leise gesprochen, und die Geräuschkulisse aus der Talk-Show vom Fernseher im Wohnzimmer war bis in den Flur zu hören.
    Doch der Telefonist erwiderte, dass er ihn mit der Aufnahme verbinden wolle. Wieder sagte Sven sein Sprüchlein auf, diesmal ging es schon besser. Als die Antwort nicht gleich kam, schüttelte er den Hörer und fragte aufgeregt:
    "Hallo? Ist dort noch jemand dran?"
    "Ja, hier ist die Aufnahme, Marbach. Frau Hellwig war ein paar Wochen bei uns auf Station. Aber jetzt ist sie nicht mehr hier."
    Und nach einer kurzen Pause: "Herr Stiller, ich verbinde Sie am besten einmal mit dem Chefarzt. Sie sind doch ein Angehöriger?" Die Dame schien das ohnehin vorauszusetzen.
    Sven nickte heftig. Dass man ihn am anderen Ende Leitung nicht sehen konnte, fiel ihm erst jetzt ein. Also formulierte er, ohne auch nur im geringsten zu zögern, seine Lüge noch einmal in deutlich gesprochenen Worten: "Ja, ja natürlich sind wir verwandt, ich war nur längere Zeit im Ausland."
    Als die Lüge heraus war, beruhigte sich sein Puls augenblicklich, seine feste Stimme ließ keinen Zweifel mehr aufkommen. Die Keyboard-Klänge irgendeiner Verbindungsmelodie schienen ihm endlos wie das Warten. Erst nach dem dritten Walzer meldete sich jemand.
    "Fliegmeier hier. Sie sind ein Verwandter von Frau Hellwig?"
    Sven beteuerte noch einmal, dass das richtig sei und wurde nicht einmal rot dabei. Der Chefarzt hatte bestimmt eine Menge um die Ohren, wozu also sollte er noch weitere Fragen stellen?
    "Gut," hörte Sven da auch schon, "dann will ich Ihnen sagen, dass wir Frau Hellwig nach Kottberg verlegt haben, bitte wenden Sie sich an das dortige Krankenhaus."
    Gleich darauf sagte er ihm auch die entsprechende Telefonnummer an.
    Sven drückte beim Schreiben so sehr auf, dass er befürchten musste, sich gleich die Finger zu brechen. Er war so froh über die Aussicht, Anne endlich besuchen zu können, dass er sich entgegen seiner sonst eher spröden und ruppigen Art Fremden gegenüber, überschwänglich bedankte.
    Sein Puls war wieder schneller geworden, überhaupt pochte alles in ihm, Freude und Sorge wechselten einander ab. Ganz ruhig bleiben, redete er sich im Stillen selbst gut zu, während seine Finger schon wählten. So schnell hatte er wohl in seinem ganzen Leben noch keine Telefonnummer eingetippt.
     
    "Wann haben Sie Besuchszeit?" Es war ihm nicht bewusst, dass er jegliche Begrüßungsfloskeln weggelassen hatte. Er hatte es eilig.
    "Täglich von 15 bis 17 und von 19 bis 20 Uhr", kam die prompte Antwort.
    Svens "Dankeschön" war schon nicht mehr dort angekommen, denn Vater Helmut hatte mit einem leichten Knopfdruck das Gespräch beendet.
    "Na, du führst wohl hier Dauergespräche? Das kostet alles Geld!"
    Der Vater schlurfte ungerührt weiter den Flur entlang.
    "Ich werde die Gespräche bezahlen!" rief Sven ihm nach und ärgerte sich, dass sein Vater sich nicht einmal von den Vorteilen einer Flatrate überzeugen ließ. Sogleich kramte der Sohn seine Geldbörse

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